Im frühen Erwachsenenalter habe ich mich jeden Tag in 27 verschiedenen Bereichen bewertet. War ich nett zu meiner Schwester? War ich sparsam? Habe ich meine Zeit gut genutzt? Habe ich meine Hausaufgaben gemacht?
Meistens gab ich mir eine 3, aber auch oft eine 4 oder 5. (Es war schwer, nett zu meiner Schwester zu sein!) Trotz ernsthafter Bemühungen lag mein selbst eingeschätzter Notendurchschnitt wahrscheinlich bei 3,7.
Ich konnte einfach nicht gut genug sein, um meine eigenen Erwartungen an Perfektion zu erfüllen. Ich empfand mich als völligen Versager. Und Gefühle des Scheiterns untergraben schnell die Motivation. Ziemlich bald waren meine Leistungen unterdurchschnittlich und ich selber überdurchschnittlich unglücklich.
Wie habe ich gelernt, mich selbst zu foltern? Verschlimmerte die Kultur der Heiligen der Letzten Tage meine Tendenz, mich an einem unerreichbaren Maßstab zu messen?
Gehen wir im Schnellvorlauf 30 Jahre weiter. Ich erinnere mich an einen guten Freund, der mich aufzog: „Wally, Glücklichsein ist eine gute Sache. Aber du hast es zu weit getrieben.” Wir lachten beide.
Was hat den Unterschied gemacht? Was hat einen tristen Teenager in einen jubelnden Erwachsenen verwandelt? Wie können wir alle heiterer und glücklicher werden? Es gibt viele Dinge, die sich in meinem Leben in den vergangenen Jahren verändert haben, aber ich möchte mich auf eines konzentrieren: Anstatt meine unterdurchschnittlichen Leistungen im Auge zu behalten, behalte ich Gottes brillante Güte im Auge. Ich erkenne meine Abhängigkeit von ihm und appelliere an seine Barmherzigkeit, meine Schwächen zuzudecken.
Trotzdem musste Gott mir meinen Kummer ablisten. Ich wusste, dass ich oft und bewusst mein Vergnügen über das Gutsein setzte. Ich war mir sicher, dass ich Gottes Liebe nicht verdiente. Da trickste er mich aus!
Eine Frau kam vorbei, um mich in meiner Funktion als Bischof aufzusuchen. Sie erzählte mir eine Geschichte voller Schrecken und Elend, die sich bis in die letzten Winkel ihres Lebens erstreckten. Sie hatte missbraucht und sie war missbraucht worden. Sie hatte getäuscht und betrogen. Als sie mir die Geschichte ihres Lebens erzählte, war ich fassungslos. Ich fragte mich, ob es einem Bischof erlaubt war, Mitgliedern zu raten, so schnell wie möglich in die Geisterwelt zu gelangen, damit sie sich von dem schrecklichen Chaos, das sie umgab, befreien konnten.
Nach ihrer schrecklichen Leidensgeschichte hielt sie inne. „Was will der Herr von mir?”
Ich war überrascht, als ich mich selbst sagen hörte: „Es gibt drei Dinge, die der Herr von Ihnen möchte.” Ich hatte keine Ahnung, was sie waren. Aber ich nahm ein Stück Papier vom Schreibtisch und schrieb „Nummer 1″. Als ich die Nummer schrieb, kamen mir Worte eines bestimmten Rates in den Sinn. Ich schrieb sie auf und wir besprachen diesen Ratschlag. Das gleiche passierte mit # 2 und # 3. Der Herr gab ganz spezifische, hilfreiche Ideen. Und zu meiner Überraschung waren sie hoffnungsvoll, liebevoll und ermutigend. Da war auch nicht ein Hauch von Schelte – nur Ermutigung, Liebe und Zuneigung.
Ich war sprachlos. Als diese Schwester ging, schloss ich die Tür hinter ihr und fiel auf die Knie. „Vater, ich hatte keine Ahnung, dass du deine Kinder so sehr liebst! Ich wusste es einfach nicht! Ich hätte es mir nicht vorstellen können.”
Ich hatte seine Botschaft praktischer und liebevoller Ratschläge einem seiner Kinder vermittelt, dessen Leben ein Wrack war. Gleichzeitig hatte er mich ausgetrickst: Ich konnte mich nicht länger weigern, die Liebe, die er für mich hatte, anzunehmen, als er mich seine erstaunliche Liebe an eines seiner geistig bedürftigsten Kinder weitergeben ließ.
Jahrzehnte später mache ich immer noch viele Fehler. Immer noch versage ich in den meisten dieser 27 Bereiche. (Wenngleich ich gelernt habe, freundlicher zu meiner Schwester zu sein.) Aber wenn ich mich töricht verhalte, wende ich mich sofort an den Vater: „Es tut mir leid. Ich werde versuchen, es besser zu machen. Bitte verzeih mir.”
In der Tat bete ich jeden Tag meines Lebens meine eigene Version des Gebets von Jareds Bruder (angepasst aus Ether 3):
1) Vater, du bist heilig und wohnst in den Himmeln. Deine Herrlichkeit ist unbeschreiblich, deine Gnade unermesslich groß.
2) Wegen des Falles ist meine Natur beständig böse geworden. Ich weiß, ich bin chaotisch.
3) Sieh mich mit Erbarmen an. Wende deinen Zorn ab. Erbarme dich.
4) Gewähre mir nach meinen Wünschen.
Ich bete regelmäßig um die gleichen Dinge: Vergebung, Herzenswandlung, Heilung für diejenigen, die ich verletzt habe, Schutz vor Schaden und vor Bösem, himmlische Inspiration und darum, nützlich zu sein.
Täglich rufe ich ihn um seine Gnade an, damit er meinen Charakter verfeinert.
Wir alle haben also die Wahl, unsere Misserfolge weiterzuverfolgen oder seine Güte in Anspruch zu nehmen. Unsere Wahl macht den Unterschied in unserem Glücklichsein und unserem geistigen Fortschritt aus.
Einladung:
Wenn Sie das nächste Mal durch Ihre Misserfolge entmutigt werden, versuchen Sie, sich auf die Verdienste, Gnade und Barmherzigkeit dessen zu stützen, der mächtig ist, zu retten. Bitten Sie um Gnade. Versuchen Sie auch, Entmutigung zu vermeiden, indem Sie sich der Güte Gottes für Sie bewusster sind.
Empfehlung:
Ich ermutige jeden, Stephen Robinsons „Believing Christ” zu lesen oder erneut zu lesen (nur in englischer Sprache erhältlich).
Dieser Beitrag wurde aus dem Englischen übersetzt. Er wurde ursprünglich am 30. Oktober 2017 auf ldsmag.com unter dem Titel „From Misery to Rejoicing” veröffentlicht. Der Autor ist Wallace Goddard. Übersetzt von Janine.
Wenn du mehr über die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage wissen möchtest, dann besuche einfach eine der offiziellen Webseiten der Kirche: kommzuchristus.org und kirche-jesu-christi.org
Stephen Robinsons „Believing Christ” liegt seit Jahren (bis auf wenige Seiten) fertig auf Deutsch (aus eigenem Antrieb übersetzt) bei mir in der Schublade, denn leider ähnele ich ebenfalls diesem netten Bruder Wallace Goddard.
P.S.
LDSBooks (wie es früher hieß) kennt meine Fähigkeiten (und mangelnde Arbeitsdisziplin !)