Für Mitglieder der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage ist die Familiengeschichte ein wichtiger Aspekt des Evangeliums Jesu Christi. Die Familie steht im Mittelpunkt des Evangeliums, und durch genealogische Informationen können die Heiligen der Letzten Tage ihre Ahnenreihen erstellen. Da das Evangelium Jesu Christi erst 1830 wiederhergestellt wurde, konnten Vorfahren während ihres Erdenlebens nicht von der Fülle des Evangeliums empfangen. Dank des barmherzigen Planes Gottes wird das Evangelium jedermann verkündet, unabhängig davon, ob das nun in diesem Leben geschieht oder in der Geisterwelt nach dem Tod. Es gibt jedoch einige heilige Handlungen, die auf der Erde durchgeführt werden müssen, beispielsweise die Taufe. Durch das vollkommene stellvertretende Werk, das Christus für die ganze Menschheit vollbrachte, und durch das Priestertum Gottes ist es den Mitgliedern möglich, in den Tempeln Verordnungen für die bereits verstorbenen Vorfahren durchzuführen. Die Mormonen glauben daran, dass die Vorfahren wie auch die hier lebenden Menschen die Möglichkeit haben, diese Verordnungen in der Geisterwelt anzunehmen oder abzulehnen.

Warum Familienforschung?

Sue Laing, eine Beraterin für Familiengeschichte, sagt über die Bedeutung der Familienforschung:

Vor ungefähr 2000 Jahren betrat der Herr Jesus Christus einen Garten namens Getsemani. Dort entschied er sich – denn er hatte die Freiheit, zu entscheiden, so wie wir alle es auch haben – für unsere Sünden zu leiden und unsere Lasten auf sich zu nehmen. Er ließ zu, dass er versucht und gegeißelt wurde und anschließend das Kreuz nach Golgota tragen musste; er ließ die grausame Kreuzigung, nach all der Qual, die er bereits durchlitten hatte, zu. An diesem Kreuz vollendete er den Teil seines Werkes in der Sterblichkeit mit den drei einfachen Worten: „Es ist vollbracht.” Er hatte es geschafft.

Ich weiß nicht, wie es euch gehen mag, aber wenn ich eine meiner Aufgaben erfolgreich abschließe, muss ich erst einmal wieder meine Kräfte sammeln, bevor ich weitermache. Aber nicht der Erlöser!

Er ging in der kurzen Zeitspanne zwischen Kreuzigung und Auferstehung in die Geisterwelt, um das Werk für die Toten zu organisieren, wie in Lehre und Bündnisse 138 geschrieben steht. Es ist erstaunlich, dass er, nach den Todesqualen, die er in Getsemani und auf Golgota durchstehen musste – die größer sind als wir jemals begreifen können und von denen er zum jungen Propheten Joseph Smith sagte, dass er sie niemals vergessen würde – sagte: „Dieses Leiden ließ mich, selbst Gott, den Größten von allen, der Schmerzen wegen zittern und aus jeder Pore bluten und an Leib und Geist leiden—und ich wollte den bitteren Kelch nicht trinken und zurückschrecken.” (Lehre und Bündnisse 19:18). Es ist wahrlich bemerkenswert, dass er eine Mission von solchem Umfang für diejenigen durchführen konnte, die so lange schon warteten, ohne eine Pause zu machen – und das sogar noch vor seiner eigenen Auferstehung. Aber der Vater selbst hatte ihm den Auftrag erteilt. In den Schriften heißt es: „Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe und alle heile, deren Herz zerbrochen ist, damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Gefesselten die Befreiung.” (Jesaja 61:1)

Dieses wunderbare Erlösungswerk begann damals mit diesem Besuch in der Geisterwelt … und erst in der heutigen Evangeliumszeit können wir ihnen die Fülle des Evangeliums bringen. Es dauerte viele Jahrhunderte, bis sich dieses Versprechen erfüllen sollte.

Erst nachdem Elija 1836 erschienen war und die Siegelungsvollmacht wiederhergestellt hatte, die die Welt für das Zweite Kommen Christi vorbereiten sollte, begann die Ahnenforschung an Popularität zuzunehmen.

Es ist bemerkenswert, dass Regierungen begannen, mehr Aufzeichnungen über ihre Einwohner anzulegen. Es gibt keine Zufälle. Im Januar 1837 verabschiedeten England und Wales Gesetze zur Erfassung von Geburten, Todesfällen und Eheschließungen; und auch die USA verabschiedete Gesetze, die verlangten, dass Aufzeichnungen geführt und genauere Informationen bei Volkszählungen erfasst wurden. Schätzungen zufolge ist die Ahnenforschung neben der Gartenarbeit Amerikas beliebtester Zeitvertreib.

Präsident Henry B. Eyring erinnert uns:

Henry B. Eyring Familiengeschichte

Präsident Henry B. Eyring während einer Generalkonferenz der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage.

„Viele Ihrer verstorbenen Vorfahren haben inzwischen wahrscheinlich schon das Zeugnis empfangen, dass die Botschaft der Missionare wahr ist. Als Sie selbst dieses Zeugnis empfangen haben, konnten Sie die Missionare um die Taufe bitten. Aber die Menschen in der Geisterwelt können das nicht…So muss jemand auf Erden zum heiligen Tempel gehen und die Bündnisse stellvertretend für denjenigen in der Geistwelt annehmen.”

Henry B. Eyring (Generalkonferenz April 2005, In Liebe verbunden)

Aus diesem Grund werden weltweit über 140 Tempel betrieben und etliche mehr gebaut.

Michael Wilcox sagte darüber, dass er seine Familie zum Tempel mitnimmt, um die Arbeit für die Verstorbenen zu tun: „Obwohl der Tempelarbeiter nichts über meine Familie wusste, sagte er zu meinen Kindern: „Viele derjenigen, für die ihr heute diese Arbeit tun werdet, haben ein schwieriges Leben geführt. Viele von ihnen hatten das Gefühl, dass Gott sie vielleicht vergessen habe. Ihr zeigt ihnen heute, dass Gott sie nicht vergessen hat. Er vergisst nie eines seiner Kinder. Ihre Namen werden hier genannt, und sie werden wissen, dass Gott sie nicht vergessen hat.”

Wir sind dazu verpflichtet, die Namen unserer Vorfahren ausfindig zu machen und sicherzustellen, dass ihnen zuteil wird, was sie verdienen – sie wurden nicht vergessen!

Präsident Eyring sagt weiter: „Denken Sie bei Ihrer Entscheidung daran, dass die Namen, die so schwer zu finden sind, wirkliche Menschen sind, denen Sie Ihr Dasein in dieser Welt verdanken und denen Sie in der Geisterwelt wieder begegnen werden.”

Wie man Ahnenforschung betreibt

In der heutigen Zeit entwickelt sich die Technologie rasend schnell. Denkt man nur an all die Dokumente, die im Internet zugänglich sind. Seit 2006, dem Beginn des Indexierens über das Internet, gibt es inzwischen 2,2 Milliarden im Internet. Alleine in diesem Jahr hat die Kirche vor, noch 1 Milliarde Dokumente zugänglich zu machen – das sind fast 3 Millionen pro Tag!

Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage arbeitet dabei auch mit anderen Organisationen zusammen. Die Dokumente werden kostenlos über ancestry.com, Find my Past und andere zur Verfügung gestellt. Es ist unglaublich, welche Hilfsmittel uns zur Verfügung gestellt werden. Wenn ihr heute nicht fündig werdet, versucht es einfach morgen noch einmal.

Wir sind doch wirklich mit solch einer Technologie gesegnet.

Wir haben all diese Ressourcen, damit wir uns mit mehr Ernsthaftigkeit der Aufgabe widmen, von der Joseph Smith sagte: „Die größte Verantwortung, die uns in dieser Welt auferlegt wurde, ist es, nach unseren Verstorbenen zu suchen.”

Und es geht nicht nur um die Aufzeichnungen. Vor 90 Jahren – 1926 – sagte Joseph Fielding Smith, dass all die Neuerungen kein Zufall seien, sondern dass es sie gebe, „weil die Zeit reif dafür ist, weil der Herr es so veranlasst hat und weil er seinen Geist über allen ausgegossen hat”.

Die Smartphones und ipads, die wir alle mit uns herumtragen, sind nicht nur zu unserem Vergnügen entworfen worden, sondern auch, weil der Herr es so wollte. Wir können uns jetzt entscheiden, sie entsprechend zu nutzen. All die Dokumente und technischen Entwicklungen nutzen uns nichts, wenn wir sie nicht richtig gebrauchen. (Übrigens kann man sogar mit dem Tablet indexieren!)

Familiengeschichte: Das Warum, das Wie

So oder ähnlich kann ein Familienstammbaum aussehen, der mit FamilySearch, dem online Familienforschungssystem der Mormonen, erstellt wurde.

Für manche Mitglieder mag es vielleicht schwierig sein, da es in ihrer Region weniger Unterlagen gibt. Manche haben vielleicht Probleme dabei, Unstimmigkeiten in ihren Ahnenreihen zu bereinigen.

In jeder Lage können wir jedoch Hilfe bekommen; und wenn wir uns aus all den Sackgassen und über all die Mauern gekämpft haben, können wir vielleicht den ein oder anderen „Cousin” unter unseren Vorfahren finden. Wir Großeltern möchten doch sicherlich auch nicht ohne unsere Enkelkinder in der nächsten Welt sein – und auch unsere Vorfahren wollen das nicht. Geht in eurer Abstammungslinie so weit zurück wie ihr könnt, wendet euch gewissermaßen um und schaut dann nach vorne und findet die Enkelkinder dieser Vorfahren – eure Cousins. Es gibt so viele unterschiedliche Möglichkeiten, sich an der Ahnenforschung zu beteiligen – es kann nie Langeweile aufkommen.

Wir können unsere Stammbäume weiter ausbauen, nach weiteren Cousins und Kusinen suchen, Fehler in unserem Stammbaum beheben, Namen für den Tempel einreichen, unsere eigene Lebensgeschichte und die unserer Familie aufschreiben, Familientreffen organisieren und durchführen und Zeit mit Kindern und Enkelkindern verbringen und neue Erinnerungen schaffen. Das gehört alles zur Familiengeschichtsforschung. Und sollten wir jemals doch denken, dass es nichts mehr zu tun gäbe, können wir uns an Joseph Fielding Smith erinnern, der sagte: „Es kommt nicht darauf an, mit eurem Computer Familiengruppenbögen für jeden einzelnen Menschen, der jemals auf der Erde gelebt hat, zusammenzustellen; wir sind dafür verantwortlich, unsere verstorbenen Verwandten kennen zu lernen. Selbst wenn die Arbeit für sie schon getan wurde, sollten wir uns dennoch mit unseren Vorfahren beschäftigen und uns mit ihnen bekannt machen.”

Zu jedem Leben gehören Geschichten, Briefe und Erbstücke, die uns helfen können, sie wirklich kennen zu lernen; mehr als nur die Daten von Ereignissen oder die Namen von Orten, an denen sie gelebt hatten.

Zu sehen ist ein alter Mann. Durch die Familiengeschichte lernen wir ältere Generationen kennen und schätzen.

Segen, der durch die Familienforschung kommt

Vor ein paar Jahren starb mein Cousin Richard E. Harris. Er lebte von 1929 bis 2013. Ein paar Tage bevor er in die Geisterwelt hinüberging, schrieb er seinen eigenen Nachruf. Darin hieß es: „Ich wurde geboren, ich starb und zwischendurch habe ich einiges versucht.” Unser Leben besteht aus dem, was oft durch das Wörtchen „bis” oder einem Bindestrich  zwischen zwei Daten dargestellt wird. Es macht durchaus einen Unterschied, unsere „Vorgeschichte” zu kennen.

Der Schriftsteller Bruce Feiler bemerkt: „Wir leben in einer unruhigen Zeit, in der viele das Gefühl haben, dass Familienbande sich auflösen.” Er beschäftigte sich damit, weshalb manche Familien funktionieren und widerstandsfähig und glücklich sind – und andere nicht. Dabei kam er auf ein überraschendes Ergebnis: „Das Wichtigste, was du für deine Familie tun kannst, ist vielleicht das Einfachste: eine Familiengeschichte entwickeln. Es scheint, als ob es für Kinder einfacher ist, Herausforderungen zu meistern, wenn sie sich als Teil einer Großfamilie sehen.”

Zu wissen, dass nicht nur jeder für sich ist, macht einen Unterschied – und Familiengeschichten erreichen genau das.

Ein Beispiel: Als Jugendliche hatte meine Mutter Angstzustände. Als sie 17 Jahre alt war, starb plötzlich ihr Vater auf Reisen. Sie erlebte, wie sich ihre Mutter ihrer größten Herausforderung stellte – eine junge Witwe zu sein – indem sie sich einfach Aufgabe für Aufgabe vornahm und weitermachte.

Auch Jahre später hatte meine Mutter immer noch mit unerklärlichen Ängsten zu kämpfen, sobald sie sich mit einer neuen und anspruchsvollen Aufgabe konfrontiert sah. 1981 begann sie damit, Daten für Elder LeGrand Richards’ Biografie zu sammeln. Und das war eine größere Herausforderung als sie erwartet hatte.

Jesus Christus Familiengeschichte

Oft, wenn einer seiner Diener sich in Bedrängnis befand, sprachen Christus oder einer seiner Engel die Worte “Fürchte dich nicht, sei guter Hoffnung.”

Sie sagte darüber: „Während der ersten Monate ging mir die Arbeit nicht leicht von der Hand. Die Angst zu versagen war allgegenwärtig und ich wollte davonlaufen. Bei der Dämmerung eines kalten Winterabends stand ich hinter der Tür des Deseret-News-Gebäudes, wo ich nach Material für das Projekt gesucht hatte. Die Autos drängten sich  Stoßstange an Stoßstange durch die Dunkelheit, und die Fahrer versuchten, sich hupend durch den Verkehr zu zwängen. Ich dachte darüber nach, wie einfach es passieren könnte, dass ich jetzt nach draußen ginge, in dem ganzen Durcheinander auf dem Eis ausrutschte und so dem ganzen Elend entkäme.

In diesem Moment jedoch kamen mir folgende Worte in den Sinn:

„Arbeite, statt dich zu sorgen; glaube, statt dich zu fürchten!”

Meine Mutter verließ das Gebäude mit einer neuen Entschlossenheit. Es würde gut gehen. Sie würde das Buch schreiben!

Und diese Geschichte ist mir und der ganzen Familie in Erinnerung geblieben. Wir haben dieses Motto verinnerlicht, wenn wir uns selbst unseren Ängsten stellen müssen. Wir wissen, wie man weiter macht!

Bruce Feiler schrieb: „Das Fazit: Wer eine glücklichere Familie möchte, sollte als Familie diese positiven Momente schaffen, verfeinern und immer wieder erzählen, Momente, in denen man die schwierigen Situationen des Lebens meisterte. Allein dadurch könnt ihr die Wahrscheinlichkeit vergrößern, dass es eurer Familie bis in alle Generationen gut geht.” (Bruce Feiler, The Secrets of Happy Families)

Es gibt Berater, die euch bei eurer Familiengeschichte helfen können. Ich weiß, dass wir alle „arbeiten, statt uns zu sorgen” [können] und „glauben, statt uns zu fürchten”, wenn wir mit vollem Eifer bei diesem großartigen Erlösungswerk mitwirken.


Der Beitrag wurde am 22.4.14 auf Englisch auf lds.net veröffentlicht. Die Autorin ist Delissa Hargrove. Der Text wurde gekürzt und übersetzt von Kristina Vogt.

Wenn Sie mehr über die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (Mormonen) lernen möchten, dann besuchen Sie einfach eine der offiziellen Webseiten der Kirche: mormon.org und lds.org.