Gegen Ende meiner Mission wurde etwas mehr Trara um Joseph Smith gemacht als gewöhnlich. Es war November 2005 und im Dezember wäre sein 200. Geburtstag gewesen. In den folgenden zwei Monaten gab es daher alle möglichen Sonderveranstaltungen, Ansprachen und Andachten, um seines Lebens und des Jubiläums zu gedenken. Und aus einem Grund, den ich mir nicht erklären konnte, waren mir viele davon unangenehm. Ich war gerade erst von Mission zurückgekehrt. Ich hatte die Kirche und Joseph Smith gegen alles Mögliche verteidigen müssen. Und ich war recht gut darin geworden, manche Vorwürfe, die hie und da ein bisschen Wahrheit enthielten, in denen Joseph Smith aber zu einem eindimensionalen, bösen Mann gemacht wurde und die sein ganzes Tun in Verruf brachten, zu durchschauen.
Um genau zu sein hätte ich auch mit dieser Art zu berichten ein Problem gehabt, wenn es nicht um Joseph Smith gegangen wäre. Wann ist denn irgendjemand eindimensional gut oder schlecht? Nun, für manche in der Kirche (und anscheinend für jeden, der in diesem Jahr in irgendeiner Form über Joseph Smith sprach) war Joseph eindimensional gut. Seine Fehler waren entzückend, seine Worte immer tiefgründig und seine Feinde immer nur von purer Boshaftigkeit getrieben. DAS war es, weshalb ich mich unwohl fühlte. Die gleiche oberflächliche Erzählweise, gegen die ich während meiner Mission angekämpft hatte, wurde nun verwendet, um Joseph Smith als immer wunderbar und inspiriert darzustellen, und das gefiel mir nicht. Durch eine Ansprache jedoch, die meine Mutter direkt nach meiner Mission gab, konnte ich herausfinden, weshalb mir dieses Oberflächliche nicht gefiel und ich fand für eine komplexere Version von Joseph Smith echte Dankbarkeit.
Ich erinnere mich daran, dass meine Mutter, als ich noch recht jung war, sagte, dass sie für das wiederhergestellte Evangelium dankbar sei, dass sie aber Joseph Smith als Person und ein paar der Dinge, die er getan hatte, schwierig finde. Ich merkte, dass das etwas war, was sie wirklich beschäftigte – warum Gott es zuließ, dass Joseph Smith so viele Fehler hatte, wo das, wozu er berufen war, doch so wichtig war. Wie das Schicksal so wollte, wurde sie gebeten, zu Ehren des 200. Geburtstages von Joseph Smith im Dezember 2005 zu sprechen. Meine Mutter hat ein Talent dazu, ihre Ansprachen sehr ehrlich und mit viel Gefühl zu geben. Ich erinnere mich daran, dass sie ihre Ansprache damit begann, demütig zu erklären, dass Joseph Smith und all seine Unvollkommenheiten für sie immer schwierig gewesen waren. Ihre Gefühle jedoch hatten sich verändert, als meine kleine Schwester geboren wurde. Ihr Geburtstag war wie der Joseph Smiths am 23. Dezember.
Meine Mutter erzählte, wie beeindruckt sie von der Schönheit des Kindes war und wie sie sich wegen der Verantwortung für ein so aufgewecktes, perfektes Kind überwältigt fühlte. Sie wurde sich ihrer eigenen Schwächen und Versäumnisse als Mutter und Mensch gewahr, und trotzdem hatte ihr Gott dieses wunderschöne Baby gegeben und ihr Herz trotz ihrer Unvollkommenheiten mit Liebe gefüllt. Es war ein Moment der Gnade. Durch diese Erfahrung erkannte sie, dass auch Joseph Smith eine Aufgabe gegeben worden war, die größer war als er. Der Herr hatte etwas Bemerkenswertes, Vollkommenes und Wunderschönes für die Welt bereit, und er wählte Joseph dazu aus – unvollkommen und unvollendet wie er war.
Meine Mutter war für mich ein mächtiger Zeuge für das Sühnopfer und die Gunst, die Gott uns wegen unserer Schwächen und Fehler gewährt. Ich kann die Macht der Gnade Christi, uns nicht nur zu heilen, sondern zu stärken, bezeugen. In 2 Korinther 12:9 heißt es: „Meine Gnade genügt dir; denn sie erweist ihre Kraft in der Schwachheit.”
Joseph Smith bekam nicht deswegen die Aufgabe, das Evangelium wiederherzustellen, weil er so toll war und nur einen leichten Schubser von Gott brauchte, um auszuhelfen. Das war es, was ihn stark machte. Der Vers in 2 Korinther lautet weiter: „Viel lieber also will ich mich meiner Schwachheit rühmen, damit die Kraft Christi auf mich herabkommt.” Dass jemand, der so schwach war, das Evangelium Jesu Christi wiederherstellen konnte und zu einem so starken spirituellen Mann werden konnte, war nur durch die Gnade und Macht Christi möglich.
Ich bin dankbar dafür, von Joseph Smiths Unvollkommenheiten zu wissen, weil es mir zeigt, dass wenn Christus solch ein Werk durch jemand Unvollkommenen, aber Willigen wie Joseph Smith erreichen kann, er auch das ein oder andere Wunder in mir bewirken kann.
Laurel Sandberg-Armstrong
Laurel ist Schauspielerin und Synchronsprecherin, die mit ihrem Mann und ihrem kleinen Kind in einem hoffentlich bald schönen (sie arbeiten daran) Zweifamilienhaus in der Nähe von Minneapolis lebt. Wie viele Mormonen ihres Alters gefällt ihr Vieles und tut sie gerne Dinge. Sie hofft, dass sie noch besser werden kann in Vielem, sodass sie ein kompetenter „Täter” von Dingen wird. Sie fragt sich, ob sie diesen kurzen Lebenslauf nicht besser hätte schreiben sollen, als sie weniger müde war.
Der Beitrag wurde aus dem Englischen übersetzt. Er wurde ursprünglich am 27.11.13 auf rationalfaiths.com unter dem Titel „Glory in Infirmities” veröffentlicht. Die Autorin ist Laurel Sandberg-Armstrong. Übersetzt von Kristina Vogt.
Wenn Sie mehr über die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (Mormonen) wissen möchten, dann besuchen Sie einfach eine der offiziellen Webseiten der Kirche: mormon.org und lds.org.