Im Juni 2018 feiert die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage das 40-jährige Jubiläum der Offenbarung über das Priestertum. Dieser Beitrag ist ein Auszug aus einem Artikel in BYU Studies. Der Autor des ursprünglichen Beitrags ist Präsident Spencer W. Kimballs Sohn Edward. Er gibt ganz persönliche Einblicke in das Thema.
Der ganze Beitrag findet sich auf Englisch unter diesem Link.
Die Voraussetzungen schaffen
In den Ereignissen der Tage vor dem 1. Juni 1978 erkennen wir deutlich das Muster für Offenbarung – eine dringende Frage, reifliche Überlegung, gebeterfüllte Vorformulierung und Bestätigung durch den Heiligen Geist.
Viele Faktoren schufen die Voraussetzungen für die Veränderungen, auch wenn sich nicht feststellen lässt, wie viel jeder einzelne dazu beitrug:
– Individuen und Gruppen in Afrika (v.a. in Nigeria und Ghana) baten um Missionare. Wie sollte die Kirche Suchenden die Unterweisung im Evangelium verwehren? Und wie sollten sie sich ohne das Priestertum organisieren?
– Im amerikanischen Bewusstsein wurde man sich der jahrhundertelangen Ungerechtigkeit gegenüber Schwarzen bewusst; Gleichheit wurde wichtiger als Rassentrennung, was Weiße darauf vorbereitete, Schwarze als rechtmäßig und sozial gleichberechtigt zu sehen. Dieses Bewusstwerden geschah schrittweise und nicht überall, bereitete aber weiße Mormonen darauf vor, Schwarze als ebenbürtig willkommen zu heißen.
– Der neue Ethos führte zu gesellschaftlichem Druck. Viele Amerikaner verachteten Mormonen für ihre Intoleranz. Diese Sichtweise mag die Missionsarbeit beeinflusst haben.
– Die missionarischen Bemühungen, die ganze Welt zu erfassen, erreichten unter Präsident Kimball einen neuen Höhepunkt. Sowohl die Führer als auch die Mitglieder sahen sich immer wieder mit der logischen Konsequenz konfrontiert: Missionsarbeit musste auch Schwarzafrika einschließen.
– Studien der Generalautoritäten und unabhängiger Gelehrter führten dazu, dass man von der Idee abkam, Joseph Smith hätte ein exklusives Priestertum gelehrt.
– Das starke Wachstum der Kirche in Brasilien und der dortige Tempel, der kurz vor der Fertigstellung stand, führten zu einem unlösbaren Dilemma. In einer rassisch so vielschichtigen Gesellschaft gab es zahlreiche Menschen, die negride Vorfahren hatten, aber nichts darüber wussten. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit würden bei der Umsetzung der Regeln Fehler gemacht werden.
– Und schließlich: Das Oberhaupt der Kirche war neu. Präsident Hinckley sagte: „Da war nun ein kleiner Mann mit viel Liebe, der die Fähigkeit hatte, anderen die Hand zu reichen … er war nicht der erste, den das Thema Priestertum beschäftigte, aber er hatte das nötige Mitgefühl, dem nachzugehen, und den Mut, der ihn handeln ließ, um die nötige Inspiration zu empfangen.”
Der Weg zu Offenbarung
Als Nachfolger hatte sich Spencer als loyal und konservativ erwiesen. Als ihm die Führerschaft übertragen worden war, war es nicht seine Absicht, Reformer zu sein, aber er hatte auch keine Angst vor Wandel. Sein einziger Wunsch war, das Werk der Kirche voranzutreiben. Wenn das bedeutete, dass sich etwas ändern musste, war er bereit dazu. Präsident Kimball fühlte, dass seine Vorgänger den Herrn gefragt hatten, aber dass die Zeit noch nicht gekommen war. Spencer musste erneut fragen.
Er wollte unbedingt „aus erster Hand erfahren, wie der Herr darüber dachte”. Es genügte ihm nicht zu warten, bis der Herr die Initiative ergreifen würde: Die Schriften ermahnten ihn, zu fragen und anzuklopfen, wenn er etwas für sich selbst herausfinden wollte. Er betete, ohne die Antwort vorschnell zu beurteilen: Sollte die bisherige Vorgehensweise beibehalten werden, oder war die Zeit für eine Veränderung gekommen? Er erhielt keine unmittelbare Antwort auf seine Gebete.
Im Mai 1975 verwies Präsident Kimball seine Ratgeber auf verschiedene Aussagen früherer Kirchenführer über Schwarze und das Priestertum und bat sie um eine Reaktion. Umsichtig, weil er sich bewusst war, dass die Frage während Präsident McKays Amtszeit kontrovers war, bat er die Apostel, mit ihm als Kollegen zu studieren und zu beten. Francis M.Gibbons, Sekretär der Ersten Präsidentschaft, bemerkte den besonderen Fokus auf dieser Frage im Jahr vor der Offenbarung. Zehn Jahre nach der Offenbarung erinnert sich Dallin H. Oaks (1978 Präsident der BYU) an diese Zeit des Fragens: „[Präsident Kimball] fragte mich, was meiner Meinung nach die Gründe waren. Er sprach mit Dutzenden, vielleicht gar Hunderten Menschen … darüber, warum das bei uns so ist.”
Jahre zuvor schrieb Spencer in einem Brief an seinen Sohn über Offenbarung im Allgemeinen: „Offenbarung bekommt man wahrscheinlich nie, außer man wünscht sie sich. Ich denke, dass nur wenige Menschen Offenbarungen empfangen, während sie faul auf dem Sofa liegen, Karten spielen oder sich entspannen. Ich denke, dass man die meisten Offenbarungen dann bekommt, wenn man sich auf die Zehenspitzen stellt und sich so hoch wie möglich nach etwas streckt, von dem man weiß, man braucht es. Dann plötzlich bekommt man Antwort auf seine Probleme.”
Im Juni 1977 lud Spencer mindestens drei Generalautoritäten dazu ein, ihm schriftliche Stellungnahmen zu dem Thema einzureichen. Elder McConkie schrieb einen langen Bericht, worin er zu dem Schluss kam, dass es in der Schrift keinen Hinderungsgrund dafür gab, die Vorschriften bezüglich des Priestertums für männliche Farbige zu ändern.
Bedenkt man Elder McConkies traditionelle Denkweise während der Amtszeit von Präsident Lee, wird klar, weshalb, wie Elder Packer sagt, „Präsident Kimball in der Öffentlichkeit über seine Dankbarkeit für Elder McConkie sprach für die besondere Unterstützung, die er in den Tagen vor der Offenbarung über das Priestertum erhielt”. Auch wenn es keine Protokolle zu den Sitzungen der Kollegien gibt und wir keine detaillierten Berichte von den Teilnehmern haben, wissen wir, dass die Erste Präsidentschaft und das Kollegium der Zwölf sich wiederholt und ausführlich mit dem Thema beschäftigten, und das über mehrere Monate.
Elder James E. Faust, der über die Internationale Mission, die fast ganz Afrika miteinschloss, präsidierte, sprach Anfang 1978 mehrfach mit Präsident Kimball über das Thema Priestertum. Bei einer Sitzung zeigte Elder Faust einen Stapel Briefe, die im vergangenen Monat aus Afrika angekommen waren. Elder Faust, der gebeten wurde, ein Beispiel vorzulesen, entschied sich für den Brief eines Jungen, dessen „größte Hoffnung es war, eine Tages im Salt-Lake-Tabernakel zu sitzen und den Propheten des Herrn sprechen zu hören.” In den Gesprächen mit den Zwölf bat Präsident Kimball darum, offen mit ihm zu sprechen. Er lud andere, deren Meinung er bisher nicht gehört hatte, zu persönlichen Gesprächen ein. Er schien so entschlossen zu sein, das Problem zu lösen, dass andere anfingen, sich Sorgen über ihn zu machen. Ein Nachbar der Kimballs, Richard Vernon, stellte fest, dass Spencer sich zurückzog.
Viele in seiner Gemeinde bemerkten einen Unterschied und waren beunruhigt. Auch Camilla wirkte angespannt und besorgt um Spencer. Elder Packer sorgte sich darum, dass Präsident Kimball die Sache nicht auf sich beruhen lassen konnte und fragte: „Warum vergisst du das Ganze nicht?” Dann beantwortete Elder Packer seine eigene Frage: „Weil du es nicht kannst. Der Herr lässt dich nicht.” Spencer beschreibt später:
„Tag für Tag, besonders an Samstagen und Sonntagen, wenn keine [Sessionen] im Tempel stattfanden, ging ich dorthin, wo ich allein sein konnte. Ich war sehr demütig… Ich suchte danach … Ich wollte sicher sein … Ich musste ziemlich kämpfen … vor allem mit mir selbst, weil ich mit dem Gedanken aufgewachsen war, dass ‚Neger’ nicht das Priestertum tragen sollten. Ich war bereit, den Rest meines Lebens bis zu meinem Tod dafür zu kämpfen und dies zu verteidigen.”
Im Februar 1978, als Spencer und Camilla von einer ihrer Reisen zurückkamen, bat Spencer den Chauffeur, ihn am Tempel aussteigen zu lassen. Camilla ging allein nach Hause. „Ich möchte noch eine Weile im Tempel bleiben”, sagte er. An manchen Tagen ging er mehr als einmal, oft alleine. Manchmal zog er dafür Tempelkleidung an; er zog immer seine Schuhe aus. Er bekam einen Schlüssel, damit er den Tempel Tag und Nacht betreten konnte, ohne dass jemand anderes beteiligt war. Nur wenige wussten davon, von den Sicherheitskräften, die über ihn wachten, abgesehen. Einer von ihnen erwähnte es gegenüber einem Nachbarn von Präsident Kimball, der es Camilla erzählte. Sie wusste also zumindest soviel, wusste aber nicht, welches Problem Spencer so sehr beschäftigte. Sie befürchtete, dass einer der Brüder in eine schwerwiegende Sünde verwickelt war. Spencer bat den Chef des Sicherheitspersonals darum, dass die Männer nur mit Bedacht darüber sprechen sollten, auch seiner Frau gegenüber.
Camilla rief Arthur Haycock an, um zu erfahren, warum Spencer so betrübt und bekümmert war. Das einzige, was Arthur als Antwort für angemessen hielt war, dass etwas den Präsidenten beunruhigte, aber alles in Ordnung kommen würde.
Am 9. März 1978, bei einem Treffen der Ersten Präsidentschaft und der Zwölf Apostel, sprachen sich die Apostel einstimmig dafür aus, dass wenn sich die Richtlinie ändern sollte, diese Änderung auf einer Offenbarung, die dem Propheten gegeben wurde und von diesem verkündet werde, beruhen müsse. Präsident Kimball drängte dann auf gemeinsame Bemühungen, den Willen des Herrn zu erfahren. Er schlug vor, zusammen zu fasten und zu beten.
Mit der Zeit, durch die vielen Tage im Tempel und viele schlaflose Stunden während der Nacht, in denen er betete und über die Konsequenzen, Verworrenheiten und Kritiken, die die Entscheidung, das Priestertum auf alle auszuweiten, mit sich bringen würde, kam Spencer schließlich zu dem Ergebnis, „dass alle Komplikationen und Bedenken an Bedeutung verloren”. Sie verschwanden nicht, aber sie schienen an Gewicht zu verlieren. Trotz seiner ursprünglichen Meinung und seines Pflichtgefühls Vergangenem gegenüber, wuchs die Gewissheit, dass der Herr eine Änderung der Richtlinien wollte. „Es wuchs langsam ein tiefer, anhaltender Eindruck, die Änderung durchzuführen.
Diese Antwort wurde Spencer bereits Ende März klar, aber er hatte das Gefühl, dass sich die Führerschaft einig sein musste, weshalb er fortfuhr, mit anderen über das Problem zu diskutieren. Er spürte Widerstand von einigen, den er völlig verstand. Er drängte nicht, nahm keinen Einfluss auf sie, übte keinen Druck aus, brachte keinen kraft seines Amts dazu, zuzustimmen. Stattdessen ging er öfter in den Tempel und flehte zum Herrn, dass dieser seinen Willen kundtun möge – nicht nur ihm selbst, sondern auch den Zwölf Aposteln, diesen guten Männern, die ihr ganzes Leben lang andere Präsidenten der Kirche zitiert hatten, dass die Zeit noch nicht gekommen war. In gewisser Weise waren die vergangenen Propheten der Kirche gegen seine Entscheidung. Die Weisheit der Verstorbenen scheint oft erhabener als das Wort eines unvollkommenen Lebenden. Spencer wollte mehr als alles anderes, dass seinen Mitknechten der Wille des Herrn kundgetan werde. Camilla bemerkte, dass Spencer in ihren gemeinsamen Gebeten, in denen er zuvor immer um „Inspiration” oder „Führung” gebeten hatte, nun eindringlich um „Offenbarung” bat.
Sie stellte auch fest, dass er in diesem Frühjahr die Schriften noch aufmerksamer als sonst studierte. Am 23. März berichtete Spencer seinen Ratgebern, dass er den größten Teil der Nacht damit verbracht hatte, nachzudenken, und sein Eindruck war, die Einschränkungen für die Schwarzen aufheben zu sollen. Seine Ratgeber sagten ihm, dass sie bereit wären, ihn zu unterstützen, wenn dies seine Entscheidung wäre. Sie diskutierten dann die Auswirkungen einer solchen Änderung auf die Mitglieder und beschlossen, dass es keine unverzüglichen Maßnahmen erforderte; sie würden vor der endgültigen Entscheidung mit den Zwölf Aposteln darüber diskutieren.
Francis Gibbons, Sekretär der Ersten Präsidentschaft, hatte den Eindruck, dass Präsident Kimball bereits den Willen Gottes erkannt hatte und nun damit zu kämpfen hatte, wie er das Problem auf eine Art und Weise lösen sollte, dass alle Führungskräfte hinter ihm standen.
Am 20. April bat Präsident Kimball die Zwölf, gemeinsam mit der Ersten Präsidentschaft dafür zu beten, dass Gott ihnen eine Antwort gebe. Anschließend sprach er einzeln mit jedem der Zwölf Apostel und verbrachte viele Stunden alleine mit Gebet und Meditation im „Allerheiligsten”, häufig, nachdem der Tempel bereits geschlossen war. Er beschrieb die Last seiner Gebete, als er ein paar Monate später zu Missionaren in Südafrika sprach:
„Ich erinnere mich noch lebhaft an den Tag, an dem ich zum Tempel ging und in den 4. Stock hinauf ging, wo wir unsere feierlichen Versammlungen abhalten, unsere Sitzungen als Zwölf Apostel und Erste Präsidentschaft. Und nachdem alle den Tempel verlassen hatten, kniete ich mich nieder und betete. Und ich betete mit Inbrunst, das kann ich euch sagen! Ich wusste, dass etwas anstand, das für sehr viele Kinder Gottes sehr wichtig war. Und ich wusste, dass wir nur dann Offenbarung vom Herrn erhalten können, wenn wir würdig und bereit sind, sie anzunehmen und umzusetzen. Tag für Tag und mit großer Ernsthaftigkeit ging ich in die oberen Räume des Tempels. Dort brachte ich meine Seele dar und unsere Bemühungen, mit allem voranzugehen und gemäß seinem Willen zu handeln. Als wir zu ihm darüber sprachen, sagten wir: ‚Herr, wir wollen nur, was recht ist. Wir haben nicht vor, aufsehenerregend etwas zu bewegen. Wir wollen das, was du möchtest, aber wir wollen es erst dann, wenn du es willst und nicht vorher.’”
Am Ende der gemeinsamen Sitzung der Präsidentschaft und der Zwölf am 4. Mai, in der die Vorschriften zum Priestertum diskutiert wurden, bat LeGrand Richards um Erlaubnis, etwas sagen zu dürfen. Er sagte dann:
„Während der Sitzung sah ich einen Mann, der auf einem Stuhl über der Orgel saß, bärtig und weiß gekleidet, und er sah aus wie Wilford Woodruff … Ich bin kein Mann mit Visionen … Ich bildete mir das nicht ein … Vielleicht hatte ich das Vorrecht ihn zu sehen, weil ich der Einzige von uns bin, der Präsident Woodruff persönlich gesehen hat.”
Am 6. Mai 1978, spät abends, traf ein Freund von Präsident Kimball, Bryan Espenschied, ihn, als beide den Tempel verließen. Bruder Espenschied hatte den Eindruck, dass Spencer besorgt oder bekümmert war. Spencer erklärte später, er sei zu jenem Zeitpunkt im Tempel gewesen, um bezüglich der Frage des Priestertums zu beten. Spencers Ratgeber teilten seine Ängste. Präsident Tanners Familie beschrieb ihn während dieser Zeit als „bekümmert, als ob er die Lasten der Welt zu tragen hätte”.
Spencer erhielt weiter viele Briefe von Kirchenmitgliedern. Manche kritisierten und forderten, andere drückten ihren Glauben und ihre Hoffnung aus. Am 19. Mai schrieb Chase Peterson, der spätere Präsident der Universität von Utah: „Könnte es sein, dass der Herr sowohl uns darauf vorbereitet hat, Schwarze als volle Mitglieder des Priestertums zu akzeptieren, als auch Schwarze für ihre Verantwortung im Priestertum? … [Vielleicht] erwartet [der Herr], dass wir bereit sind. Wenn wir uns aber als nicht bereit erweisen, wird es den richtigen Zeitpunkt so schnell nicht mehr geben.”
Am 25. Mai machte Mark E. Petersen Präsident Kimball auf einen Artikel aufmerksam, in dem es darum ging, dass die Vorschriften zum Priestertum mit Brigham Young kamen und nicht durch Joseph Smith, und er schlug dem Präsidenten vor, dies zu berücksichtigen.
Am 30. Mai las Spencer seinen Ratgebern eine unverbindliche Stellungnahme vor, rassisch bedingte Einschränkungen im Priestertum aufzuheben, und sagte, dass er ein „gutes, warmes Gefühl” dabei habe. Ältere Aussagen wurden besprochen und man entschied, dass G. Homer Durham, Siebziger und Vorstand der kirchenhistorischen Abteilung, sich näher mit dem Thema befassen solle. Sie beschlossen, den Ablauf der Sitzung mit den Zwölf am Donnerstagmorgen zu ändern und das gemeinsame Mittagessen im Tempel abzusagen. Sie baten die Mitglieder des Rates, weiter zu fasten.
Bestätigung der Offenbarung
… An diesem ersten Donnerstag des Monats [1. Juni 1978] trafen sich die Erste Präsidentschaft, die Zwölf und die Siebziger zu ihrem regelmäßigen Treffen um 9 Uhr, fastend. Sie gaben Zeugnis, nahmen vom Abendmahl und nahmen an einem Gebetskreis teil. Das Treffen dauerte wie gewöhnlich 3 ½ Stunden und war bis zum Ende, als Präsident Kimball die Zwölf bat zu bleiben, nicht anders als andere ebensolche Treffen. Zwei hatten bereits den Raum verlassen, um ihre Tempelkleidung abzulegen und sich für die Geschäftssitzung mit der Präsidentschaft und den Zwölf, die normalerweise folgte, umzuziehen. Jemand holte sie zurück. Elder Delbert L. Stapley lag im Krankenhaus und Elder Mark E. Petersen war mit einem Auftrag in Südamerika. Zehn der Zwölf waren anwesend.
Präsident Kimball sagte: „Brüder, ich habe das Mittagessen für heute abgesagt. Sind Sie bereit, mit uns im Tempel zu bleiben? Ich hätte gerne, dass Sie weiter mit mir fasten. Ich war etliche Wochen fast täglich im Tempel, manchmal für viele Stunden, um den Herrn um eine klare Antwort anzuflehen. Ich hatte nicht im Voraus bestimmt, wie die Antwort ausfallen sollte. Ich will mit einem einfachen Ja oder Nein zufrieden sein, aber ich will es wissen. Wie auch immer die Entscheidung des Herrn ausfällt, ich werde sie mit meiner ganzen Kraft verteidigen, bis selbst in den Tod.”
Er zeigte ihnen die Richtung, in die seine Gedanken ihn geführt hatten … und bat die Zwölf erneut, zu sprechen. Elder McConkie sprach sich für die Veränderung aus, da es keinen Grund dagegen in der Schrift gäbe. Präsident Tanner stellte einige Fragen zum besseren Verständnis, als Elder McConkie sprach. Dann sprach Elder Packer ausführlich, erklärte seine Sichtweise, dass es jedem würdigen Mann erlaubt sein sollte, das Priestertum zu tragen. Er zitierte Schriftstellen (LuB 124:49; 56:4–5; 58:32), um seine Argumente für den Wandel zu stützen. Acht von Zehn sprachen – alle waren dafür. Präsident Kimball befragte die anderen beiden, und auch sie sprachen sich dafür aus. Das Gespräch wurde zwei Stunden lang fortgesetzt. Elder Packer sagte ein paar Wochen später: „Nur eine Gegenstimme hätte dazu geführt, dass er es aufgeschoben hätte, so vorsichtig war er … dass es recht sein musste”… Dann baten sie [im Gebet] um Bestätigung von Gott.
[Über dieses Gebet] sagte Elder McConkie: „Es war wie ein zweiter Pfingsttag.” … Die Zwölf und die drei Mitglieder der Ersten Präsidentschaft fühlten den Geist über sich ausgegossen und sie wussten, dass Gott seinen Willen kundgetan hatte … Ich hatte auch zuvor schon bemerkenswerte geistige Erfahrungen, vor allem im Zusammenhang mit meiner Berufung als Apostel, aber nichts von gleicher Größe.”
Alle Brüder wussten und fühlten, was die Antwort auf das Gesuch Präsident Kimballs war … Manche Brüder weinten… Als Präsident Kimball aufstand, umarmten ihn einige der Brüder…
Elder Hinckley sagte zehn Jahre nach der Erfahrung: „Im Raum herrschte eine heilige Atmosphäre. Ich hatte das Gefühl, als ob sich ein Kanal zwischen dem himmlischen Thron und dem knienden, bittenden Propheten auftat … Und durch die Macht des Heiligen Geistes kam zu diesem Propheten die Zusicherung, dass die Sache, für die er betete, richtig war, dass die Zeit gekommen war… Die Stimme des Geistes flüsterte uns zu … Keiner von uns, der bei dieser Gelegenheit anwesend war, war jemals wieder der gleiche.”
…Elder David B. Haight sagte 18 Jahre später: „Ich war damals das jüngste Mitglied des Rates der Zwölf. Aber ich war dabei. Ich war dabei, als der Geist in diesem Raum so stark ausgegossen wurde, dass hernach keiner von uns auch nur ein Wort zu sagen vermochte. Wir gingen ganz still hinaus und begaben uns ins Büro. Keiner konnte reden, denn wir hatten soeben ein machtvolles geistiges Erlebnis aus dem Himmel gehabt.”
Elder Marvin J. Ashton nannte es den „intensivsten, geistigen Eindruck, den ich je gehabt hatte.” Elder Packer sagte, dass während des Gebetes allen Anwesenden klar wurde, wie die Entscheidung ausfallen musste…
Als der Prophet von den Knien aufstand, traf er zuerst auf Elder Haight, den neuesten Apostel, und beide umarmten sich. Elder Haight konnte fühlen, wie Präsident Kimballs Herz klopfte und wie berührt er war. Der Präsident umarmte auch alle anderen Apostel. Auch andere umarmten sich spontan. Spencer hatte das Gefühl, dass die Reaktion ein Zeichen für die Akzeptanz der Veränderung und gleichzeitig ein Zeichen der Akzeptanz für ihn war.
Elder Perry sagte: „Es war, als ob eine große Last von ihm genommen wurde. Er war fast sprachlos. Es war ihm fast unmöglich, seine Freude zurückzuhalten. Nichts musste gesagt werden. Wir fühlten die Antwort, die Entscheidung war gefallen. Wir fühlten Einigkeit und Erleichterung, dass es vorbei war…”
Als jemand LeGrand Richards’ Erscheinung von Wilford Woodruff erwähnte, sagte Spencer, dass das natürlich sei: „Präsident Woodruff muss sehr interessiert gewesen sein, schließlich machte er eine ähnliche Erfahrung” mit dem Manifest…
Die Brüder hatten sich lange nach dieser Veränderung gesehnt, benötigten aber die Bestätigung durch den Geist…
Der Beitrag wurde aus dem Englischen übersetzt und teilweise gekürzt. Er wurde ursprünglich am 21.5.18 auf ldsmag.com unter dem Titel „Behind the Scenes: Spencer W. Kimball and the Revelation on Priesthood” veröffentlicht. Der Autor ist Edward L. Kimball. Übersetzt von Kristina Vogt.
Wenn Sie mehr über die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (Mormonen) wissen möchten, dann besuchen Sie einfach eine der offiziellen Webseiten der Kirche: mormon.org und lds.org.
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