Wenige Monate vor ihrem 15. Geburtstag wurde Helen Mar Kimball eine weitere Ehefrau des Propheten der Mormonen, Joseph Smith. Während es uns in der heutigen Zeit stutzen lässt, dass jemand, der so jung ist, zur Frau genommen wird, war es im 19. Jahrhundert nichts Ungewöhnliches. In etwa 85 % der Welt wurde die Vielehe praktiziert, den europäischen und amerikanischen Christen jedoch war diese Idee fremd.
Die Vielehe war gerade erst in der “Mormonenkirche” eingeführt worden. Nur Joseph Smith und ein paar weitere Kirchenoberhäupter praktizierten sie schon. Heber Kimball, Helens Vater, belehrte sie darüber.
Heber C. Kimball war 1835, fünf Jahre nach der Gründung der Kirche, zum Mitglied im Kollegium der Zwölf Apostel ordiniert worden. Wegen seiner Glaubenstreue war er einer derjenigen, denen (nach Joseph Smith) 1842 in Nauvo, Illinois, geboten wurde, das Prinzip der Vielehe zu leben.
Helens Eltern, Heber und Vilate Kimball, waren vom Prinzip der Vielehe erschüttert
Als Joseph Smith Heber C. Kimball das Prinzip erläuterte und ihn dazu aufforderte, danach zu leben, war dessen erster Gedanke, zwei ältere Damen zu bitten ihn zu heiraten. Es handelte sich um Freundinnen von Vilate, und bei ihnen war es am unwahrscheinlichsten, dass es Eifersucht in der ansonsten idealen Ehe auslösen würde. Aber Joseph wollte, dass Heber „eine englische Dame namens Sarah Noon heiratete, die etwa so alt war wie meine Mutter und die im gleichen Schiff mit einer Gruppe Heiliger herübergekommen war, wie Vater und Bruder Joseph, die aus Europa zurückkehrten. Sie war bereits verheiratet gewesen und war Mutter zweier kleiner Mädchen, hatte aber ihren Ehemann wegen seiner Trinkerei und seiner liederlichen Gewohnheiten verlassen. Vater wurde gesagt, er solle sie zur Frau nehmen und für sie und ihre Kinder sorgen, und er tat es.” (Tagebucheintrag von Helen Mar Kimball)
Die Offenbarung, die Joseph erhalten hatte, machte es zur Bedingung, dass die erste Frau zustimmte und bereit war, danach zu leben. Wenn die erste Frau kein Zeugnis davon bekommen konnte, dass es tatsächlich ein Gebot Gottes war und demzufolge dagegen war, konnte sie ihre Erhöhung im Himmel verwirken. Joseph schlug vor, dass Heber seine Vielehe Vilate vorenthielt, bis Gott ihr das Prinzip offenbarte.
Heber war Joseph als Propheten so treu ergeben, dass er sich nicht vorstellen konnte, ungehorsam zu sein; aber er liebte Vilate so innig, dass es ihm große Sorge bereitete, die Vielehe geheim zu halten und sie zu leben. Er wurde schließlich seelisch und körperlich krank. Vilate sorgte sich und fragte nach, jedoch vergeblich. Schließlich baten sie den Herrn inständig – Vilate für ihren tief unglücklichen Ehemann und Heber unter Qualen für seine Frau.
Helen schrieb über ihre Mutter Vilate:
„Als sie wie um ihr Leben flehte, erweiterte sich ihr Verständnis, und wie die Dunkelheit der Morgensonne weicht, verschwand ihr Kummer, und es nagte nicht mehr an ihr.
Ihr zeigte sich das Gebot der celestialen Ehe in all seiner Schönheit und Herrlichkeit, und auch die großartige Erhöhung und die Ehre, die ihr in jener unsterblichen und celestialen Sphäre zuteil werden würden, wenn sie sie akzeptieren und ihren Platz an der Seite ihres Mannes einnehmen würde. Auch sah sie die Frau, die er zur Ehefrau genommen hatte, und erwog mit Freude die unermessliche und grenzenlose Liebe und Einigkeit, die aus diesem Gebot erwachsen würden. Sie dachte auch an die Ausweitung der Reiche ihres Ehemannes, an die Macht und das Wachstum in den Ewigkeiten – Welten ohne Zahl.
Freudestrahlend, weil vom Geist Gottes erfüllt, kam sie zu meinem Vater und sagte: „Heber, was du vor mir geheim gehalten hast, hat der Herr mir gezeigt.” Sie berichtete mir, dass sie noch nie einen so glücklichen Mann wie Vater gesehen hatte, als sie ihm die Vision beschrieb und ihm sagte, dass sie zufrieden war und wusste, dass sie von Gott kam.”
Vilate ging das Bündnis ein, nach dem Gesetz zu leben, und „gab meinem Vater viele Ehefrauen, die in meiner Mutter stets eine treue Freundin fanden”. Vilate musste jedoch viele Prüfungen durchmachen, als sie nach dem Gesetz der Vielehe lebte.
Nun musste Helen dieses gleiche Zeugnis bekommen. Heber C. Kimball hatte sie Joseph Smith, der damals 37 war, als weitere Ehefrau angeboten.
Heber gibt Joseph “seinen kostbarsten Besitz” zur Frau
Zuerst konnte Helen nur an den Verlust ihrer Freiheit als Teenager denken. Es würde keine Tänze mehr geben, kein Flirten, keine Verehrer. Sie tröstete sich damit, dass ihre Ehe wie viele von Josephs zusätzlichen Ehen „nur für die Ewigkeit” wäre. Diese Ehen sollten nur Auswirkungen im Himmel haben. Ehefrauen für die Ewigkeit konnten während der Sterblichkeit mit jemand anderem verheiratet sein. Helen versuchte mit ihrem jugendlichen Herzen auch, sich vorzustellen, wie wunderschön die celestiale Herrlichkeit im Gegensatz zu den zeitlichen Vergnügungen wäre, die sie aufgeben müsste. Ihre Eltern jedoch brachten ihr bei, dass die celestiale Ehe keine Garantie für himmlische Herrlichkeit wäre. Es würde weitere Prüfungen geben.
Helen erzählt in ihrem Tagebuch nach, wie sie sich gefühlt hatte, als sie mit dem Prinzip bekannt gemacht wurde:
„Ich wusste, dass er [ihr Vater, Heber] mich zu sehr liebte, um mir irgendetwas beizubringen, das nicht grundsätzlich rein, tugendhaft und tendenziell erhöhend wäre; und niemand anders hätte mich zu dieser Zeit dahin gehend beeinflussen können oder mich dazu bringen können, eine all unseren früheren Vorstellungen und Traditionen entgegenstehende Lehre zu akzeptieren. Dies geschah kurz vor seiner Abreise zu seiner vorletzten Mission in die Oststaaten. Weil er befürchtete, ich könnte es aus einer falschen Quelle erfahren und weil er wusste, dass es welche gab, die loslaufen würden, bevor man sie schickte und welche, die nicht zögern würden, ihn und die Brüder zu betrügen, hielt er es für das Beste, dass ich es aus seinem eigenen Mund erführe. Am nächsten Tag besuchte der Prophet unser Haus, und ich saß bei meinem Vater und meiner Mutter und hörte, wie er das Prinzip ausführlicher erklärte, und ich glaubte daran, aber ich hatte keinen Beweis, nur sein Zeugnis und das meines Vaters. Für mich war das ausreichend, und ich hielt es nicht für notwendig, nach weiteren zu trachten.”
Wie Helen erklärte, erleichterte ihr Vater, offensichtlich motiviert durch den Wunsch, mit dem Propheten durch die Vielehe verwandt zu werden, das Zustandekommen der Verbindung. In einer anderen Beschreibung erklärt Helen: „Er [ihr Vater Heber C. Kimball] lehrte mich das Prinzip der celestialen Ehe, und weil sein Wunsch, mit dem Propheten Joseph verbunden zu sein, groß war, bot er mich Joseph an. Das erfuhr ich später von des Propheten eigenem Munde.” (Aus dem noch nicht erschienenen Buch von Brian C. Hales and Laura H. Hales, Joseph Smith and Nauvoo Polygamy: Separating Fact from Fiction, Salt Lake CIty: Greg Kofford Books, 2015.)
Helen Mar Kimballs Ehe mit Joseph Smith war nicht nur für die Ewigkeit
Helen lebte auch nach ihrer „Siegelung” an Joseph Smith in Nauvoo weiterhin bei ihren Eltern. Es gibt keine Berichte darüber, ob bzw. dass Helen Mar Kimball und Joseph zusammen lebten. Sie hatten keine Nachkommen. Viel später, im Jahre 1892, forderte die Regierung die zusätzlichen Ehefrauen in Utah auf, über ihre Vielehen vor Gericht auszusagen, aber Helen lud man nicht vor, um ihre Ehe mit Joseph Smith darzulegen. Dies verstärkt den Eindruck, dass sie und Joseph nicht zusammen lebten. 13 Monate nach ihrer Siegelung an den Propheten wurde er getötet. Jahre später dachte sie darüber nach: „Ich bin dankbar dafür, dass er [der himmlische Vater] mich im Schmelzofen der Bedrängnis geprüft hat und dass er sich herbeiließ mir zu zeigen, dass sich jene Verheißungen, die er mir am Morgen meiner Siegelung an den Propheten des Herrn gegeben hatte, erfüllen würden und ich die Kette nicht unterbrechen würde; denn ich bekam Einblick in das Prinzip der ewigen Errettung und in die Vollkommenheit der Verbindung, die diese Siegelungsvollmacht für die Menschheit zustande bringen wird. Ich bin fest entschlossen, mit der Hilfe unseres himmlischen Vater so zu leben, dass sich jene Verheißungen erfüllen werden.“
Helen Mar Kimballs späteres Leben
Nach Josephs Tod heiratete Helen und bekam Kinder. Als die Heiligen von Nauvoo gen Westen aufbrachen, ging Helen eine monogame Ehe mit Horace Whitney ein. Mit dem Auszug aus Nauvoo begannen Helen und Horace Whitney die Reise quer durch die Prärie. Sie erreichten Winter Quarters in Nebraska im Juni 1846.
Die 19-jährige Helen brachte im Mai 1847, als ihr Mann sich auf einer Forschungsreise ins Salzseetal befand, ihr erstes Kind zur Welt. Das Kind wurde tot geboren. (Compton 1997, p. 507)
Als sie auf ihrer Reise in den Westen in der Prärie unterwegs waren, brachte Helen im August 1848 ein weiteres Kind zur Welt, das kurz nach der Geburt starb. Bei der Geburt gab es Komplikationen, die beinahe zum Tode Helens führten. Nach einem langen Kampf um ihre Gesundheit brachte Helen ihr drittes Kind zur Welt, das im September 1849 geboren wurde und starb. (Compton 1997, pp. 510–511) Insgesamt bekam sie 11 Kinder.
Sie sah die Prüfungen ihrer Mutter, im Zusammenhang mit der Praxis der Vielehe, und sie war eine Zeitlang verbittert, als sie ihr erstes Kind verlor …
„Als ich die Schwierigkeiten meiner Mutter sah, überkam mich in einer schwachen Stunde die Versuchung zu rebellieren. Ich hasste die Vielehe von Herzen, ich hatte mein Baby mehr als meinen Gott geliebt und trauerte unverhältnismäßig darüber …”
Später in ihrem Leben wurde Helen zu einer Verfechterin der Vielehe; sie schrieb verschiedene Artikel und ein Buch zur Verteidigung ihrer Ausübung. Sie berichtete:
„Ich versuchte nie, die Tatsache zu verbergen, dass es eine Prüfung war, sondern ich gab offen zu, dass es eine der schwersten meines Lebens war, die sich schließlich als eine meiner größten Segnungen erwiesen hat. Ich kann ungelogen sagen, dass sie mir im wahrsten Sinne des Wortes am meisten geholfen hat, eine Heilige und eine freie Frau zu werden; und ich kenne viele, die das Gleiche sagen würden, für die sie sich auch als eine der größten Segnungen erwiesen hat – eine versteckte Segnung”. (Helen Mar Kimball, Why We Practice Plural Marriage, 23-24 cited in Andrus, Doctrines of the Kingdom.)
Ich ermutigte meinen Mann und unterstützte ihn bei diesem celestialen Gesetz der Vielehe, weil ich wusste, dass es richtig war. Zu verschiedenen Zeiten wurde ich durch Waschungen und Salbungen geheilt, die von den Müttern in Israel durchgeführt wurden. Ich bin verschont geblieben, um von der Wahrheit und Göttlichkeit dieses Werkes Zeugnis zu geben; bestand auch einmal mein Glück darin, für meine Lieben zu arbeiten, hielt es der Herr für angebracht, mir meine körperliche Kraft fortzunehmen; er lehrte mich, „[m]ein Brot auf die Wasserfläche zu legen”, (Prediger/Kohelet 11:1) und nach vielen Tagen wurde mein sehnender Geist mit dem Wissen erfreut, dass er ein Werk für mich zu tun habe; und ich weiß, dass mit ihm alles möglich ist …
Der Prophet sagte, dass durch sie [die Vielehe] mehr Übeltäter als ehrbare Anhänger hervorgebracht würden, denn viele charakterlose Männer würden sich durch sie einen Vorteil verschaffen. Das beweise aber nicht, dass sie kein lauterer Grundsatz sei.
Wenn Joseph irgendwelche unreinen Wünsche gehabt hätte, hätte er sie nach der Weise der Welt befriedigen können und hätte sein Leben oder seinen Ruf weniger in Gefahr gebracht als durch das, was er tat und wie er es tat. Der Herr gebot ihm, das Prinzip zu lehren und zu leben.” (Helen Mar Kimball Whitney, Letter to Mary Bond, n.d., 3-9 zitiert in Brian Hales, Joseph Smith’s Polygamy: History, Vol. 1, 26-27.)
„Wir können die Geschichte von Märtyrern und mächtigen Eroberern, von vielen großen und guten Männern und Frauen lesen, doch die der edlen Frauen und schönen Töchter Zions, die durch ihr Vertrauen in die Versprechen des Gottes Israels über sich selbst triumphierten, sein höheres Gesetz lebten, seine Knechte darin unterstützten, dieses Gesetz auf der Erde zu begründen … ich fühle mit Gewissheit, dass ein Bericht ihrer Werke von den Engeln geführt wurde, den man noch in den Chroniken der Ewigkeit finden wird, in Goldschrift geschrieben.” (Helen Mar Whitney, A Woman’s View: Helen Mar Whitney’s Reminiscences of Early Church History, ed. Richard N. Holzapfel and Jeni B. Holzapfel (1997), 140.)
Helen Mar Kimball Smith Whitney starb im Jahre 1896 in Salt Lake City, Utah, im Alter von 68 Jahren als aktives Mitglied der Kirche.
Informiere dich weiter:
Dieser Artikel wurde im Original von Gale Boyd geschrieben und am 3. November 2014 auf lds.net veröffentlicht. Er wurde von Kristina Vogt ins Deutsche übersetzt.
Wenn Sie mehr über die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (Mormonen) wissen möchten, dann besuchen Sie einfach eine der offiziellen Webseiten der Kirche: kommzuchristus.org und kirche-jesu-christi.org.
Ich bekomme kein Zeugnis von den heiligen Geist dass das Buch Mormon wahr ist und ich weiß nicht was zu machen. Was schlagen Sie vor?
Hallo Daniel!
Wir hoffen, dass Sie, trotz dieser speziellen Zeit, ein aufbauendes Osterfest feiern konnten. Wovon haben Sie bereits ein Zeugnis?
Ganz liebe Grüße,
Sören