Frauen im Alten Israel waren weit mehr als nur Mütter und Ehefrauen. Sie waren die stillen Heldinnen des Alltags, deren unermüdliche Arbeit, Weisheit und Glaube das Fundament für Familien, Gemeinschaften und ganze Völker bildeten. Auch wenn ihre Geschichten in den heiligen Schriften oft nur am Rande erwähnt werden, war ihr Einfluss tiefgreifend – damals wie heute.
Frauen im Schatten – und doch unentbehrlich
Lange Zeit betrachteten Bibelforscher die Texte des Alten Testaments als eine Sammlung von Geschichten großer Propheten und göttlicher Eingriffe in das Leben der Männer. Dabei gerieten die täglichen Aufgaben der Frauen und ihr stiller Beitrag zum Funktionieren der Gesellschaft oft in den Hintergrund. Doch in den letzten Jahrzehnten hat sich das Bild gewandelt: Immer mehr Forscherinnen und Forscher haben begonnen, die Rolle der Frauen in der alttestamentlichen Zeit sichtbar zu machen.
Wie die Forscherin Ariel Bybee einmal sagte:
„Frauen in der Schrift wurden nicht systematisch ignoriert – sie wirkten einfach in einem intimeren, weniger sichtbaren Bereich.“
Gerade diese „unsichtbaren“ Tätigkeiten prägten das soziale, wirtschaftliche und geistige Leben ihrer Zeit nachhaltig.
Der Alltag der Frauen: Arbeit für das Überleben
Das tägliche Leben einer Frau im Alten Israel war geprägt von harter Arbeit und unerschütterlicher Fürsorge für die Familie. An sechs Tagen der Woche sorgten Frauen für Nahrung und Kleidung, ein nie endender Kreislauf von Aufgaben: Sie sortierten und mahlten das Getreide, kneteten und buken das Brot, holten Wasser und sammelten Brennholz. Sie versorgten Tiere, melkten sie und stellten Milchprodukte wie Butter, Joghurt und Käse her. Dabei beachteten sie auch jüdische Speisevorschriften, die Milch- und Fleischprodukte strikt voneinander trennten. Sie pflegten Gärten und Obstbäume, konservierten Fleisch und Früchte und fertigten aus Wolle und Flachs Garn und Stoffe.
Ihre Arbeit beschränkte sich dabei nicht auf den eigenen Haushalt. Frauen waren auch auf Märkten aktiv, verkauften Waren oder tauschten Produkte. Sie hielten den Haushalt am Laufen und ermöglichten damit das wirtschaftliche Überleben der Familie.
Ein schönes Beispiel findet sich in der biblischen Figur Ruth. Nach dem Tod ihres Mannes sammelte sie als Witwe Ähren auf den Feldern, um sich und ihre Schwiegermutter Naomi zu ernähren. Ebenso wird in Genesis 29 Rahel als Hirtin beschrieben, die die Herden ihres Vaters versorgte. Diese Beispiele zeigen, wie unverzichtbar Frauen für die Versorgung der Familie waren.
Frauen als Wirtschaftskraft: Ein Blick in Sprüche 31
Ein beeindruckendes Zeugnis für den Wert der Arbeit von Frauen ist das Lob der „tüchtigen Frau“ in Sprüche 31. Dort heißt es:
„Eine tüchtige Frau, wer findet sie? Sie übertrifft alle Perlen an Wert.“
Dieses Idealbild beschreibt nicht nur ihre Tugend, sondern auch ihre wirtschaftliche Bedeutung. In Sprüche 31 ab Vers 10 werden normale Aufgaben beschrieben: Sie handelt mit Waren, sorgt für das Einkommen der Familie, näht Kleidung und sorgt dafür, dass ihr Haushalt in Wohlstand lebt. Dieser Text macht deutlich: Frauen waren das Rückgrat des familiären und wirtschaftlichen Lebens.
Religiöse Erzieherinnen und Vorbilder
Neben ihren vielen praktischen Aufgaben waren Frauen auch bedeutende religiöse Vorbilder und Lehrerinnen. In Sprüche 6:20 wird Kindern (Söhnen) geboten:
„… missachte nicht die Unterweisung deiner Mutter! Binde sie dir für immer aufs Herz.“
Das zeigt, dass auch Frauen eine entscheidende Rolle in der religiösen Erziehung ihrer Kinder spielten.
Die Bibelwissenschaftlerin Carol Meyers argumentierte sogar, dass Mütter oft die Hauptverantwortung für die Bildung ihrer Kinder trugen – in einer Zeit, in der es noch keine Schulpflicht gab. Kinder lernten den Glauben nicht nur durch Worte, sondern auch durch das Vorbild ihrer Mütter: durch rituelle Waschungen, Gebete und Opfergaben. Diese religiösen Rituale, die Mütter im Alltag lebten, prägten die Kinder nachhaltig.
Auch im Buch Alma (Kapitel 56) sehen wir den Einfluss der Mütter: Die jungen Helden, Helamans “2000 junge Söhne”, vertrauten im Kampf auf die Lehren ihrer Mütter:
„Wir zweifeln nicht; unsere Mütter haben es gewusst“ (Vers 48).
Ihre Glaubenskraft wurde zur Richtschnur für die nächste Generation.
Frauen als Akteurinnen in Politik und Recht
Frauen waren nicht nur im Haus und in der Religion aktiv. Einige wenige traten auch in den politischen und rechtlichen Vordergrund. Die bekannteste Geschichte ist die von Esther, die als Königin ihr Leben riskierte, um ihr Volk vor dem Untergang zu retten. Durch ihren Mut wurde das Purim-Fest eingeführt, das bis heute an ihre Tat erinnert.
Auch die Töchter Zelofhads (Numeri 27) traten mutig vor Mose und forderten ihr Erbrecht ein. Sie bewirkten damit eine Gesetzesänderung, die Frauen in Erbfragen stärkte. Diese Beispiele zeigen: Frauen konnten – auch in einer patriarchalischen Gesellschaft – aktiv an der Gestaltung von Recht und Politik mitwirken.
Ein Blick in die Moderne: Was wir von diesen Frauen lernen können
Die Geschichten dieser Frauen sind mehr als nur historische Anekdoten. Sie erinnern uns daran, dass weibliche Stärke oft im Stillen wirkt, aber von unschätzbarem Wert ist. Heute erleben wir in vielen Glaubensgemeinschaften eine zunehmende Sichtbarkeit von Frauen, auch wenn deren Einfluss unterschiedlich stark ausgeprägt ist. In der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage beispielsweise übernehmen Frauen wichtige Aufgaben in Gemeinderäten, sind inzwischen auch Zeuginnen bei heiligen Handlungen wirken und gestalten aktiv die Entwicklung ihrer Gemeinschaften.
Wie Präsident Russell M. Nelson betonte:
„Als rechtschaffene, geweihte Frau in der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage sprichst und lehrst du mit der Kraft und Vollmacht Gottes. Ob durch Belehrung oder Gespräche – wir brauchen deine Stimme, um die Lehre Christi zu vermitteln. Wir brauchen deinen Beitrag in Familien-, Gemeinde- und Pfahlräten. Deine Mitwirkung ist unverzichtbar und niemals nur zur Zierde!“
Fazit: Die Würde der Frau – damals und heute
Ob als Versorgerinnen, Lehrerinnen, politische Akteurinnen oder religiöse Vorbilder: Frauen im Alten Israel waren unverzichtbar für ihre Gemeinschaften. Auch wenn viele ihrer Namen nicht in die großen Geschichtsbücher eingegangen sind, bleibt ihr Beitrag unvergessen. Ihr Mut, ihre Fürsorge und ihre Weisheit sind ein Erbe, das bis heute nachwirkt – und uns dazu inspiriert, Frauen in all ihren Rollen zu ehren und zu unterstützen.
Wie die Bibel sagt:
„Eine tüchtige Frau, wer findet sie? Sie ist mehr wert als kostbare Perlen.“ Diese Wahrheit gilt damals wie heute.
Quelle: Artikel nach ScriptureCentral, übersetzt, überarbeitet und ergänzt