Jessyca sagt, sie sei homosexuell. Sie hat eine Vollzeitmission erfüllt und ist in der Kirche aktiv. Sie ist sich nicht sicher, ob sie Single bleiben wird – zur Zeit ist das allerdings ihr Plan. Sie ist sich nicht sicher, ob sie jemals einen Mann finden wird, zu dem sie sich hingezogen fühlt.
Ich war nie wie meine Freundinnen. Meine Gedanken waren nie wirklich von Jungs besessen und meine Freundinnen und der Sport waren mir viel wichtiger. Als ich älter wurde, wurde ich mir meiner Gefühle für Frauen gewahr. Ich rechtfertigte mich damit, dass ich einfach eine tiefe Zuneigung für meine Freunde empfand. Aber tief in meinem Innersten wusste ich, dass mehr daran war, als ich zugeben wollte.
Ich dachte immer, dass man die Wahl hätte, ob man sich zum gleichen Geschlecht hingezogen fühlt – und mir war klar, dass ich das nicht wählen würde.
Als ich in die Highschool kam, wurde es auffälliger. Ich entwickelte für meine beste Freundin so starke Gefühle, dass ich tief in mir drinnen wusste, was passierte. Ich konnte es mir selbst noch nicht eingestehen. Ich erinnere mich an mehrere Tagebucheinträge, die ich während dieser Zeit schrieb, in denen stand: „Es gibt ein Geheimnis über mich, das niemand jemals erfahren wird.” Ich plante, mein Leben zu leben, ohne mir jemals wirklich einzugestehen, was geschah.
Ich schloss die Highschool ab und spielte zwei Jahre lang Softball am Snow College. In meinem ersten Jahr entwickelte ich eine innige Freundschaft mit einer großartigen Freundin. Ich interpretierte, dass ich mich zu ihr hingezogen fühlte, nicht als romantisches Hingezogensein. Und selbst wenn es mir bewusst gewesen wäre, hätte ich es nicht zugegeben. Die Situation mit der Freundin und mir eskalierte schnell. Die Gefühle, die sich entwickelten, wurden stark und ich wusste, dass wir auf einem Weg waren, den ich nicht gehen wollte – ein Weg, der mich darum bringen würde, eine Mission zu erfüllen, wovon ich schon seit meiner Kindheit geträumt hatte. Ich entschloss mich dazu, unsere Freundschaft zu beenden – aber ich tat das auf eine Weise, die ich bedauere. Mir waren die Gefühle, die wir füreinander entwickelt hatten, so peinlich, dass ich ihr für alles die Schuld gab und die Augen vor der Wahrheit verschloss. Ich weiß, wie wichtig es ist, nicht nur anderen gegenüber ehrlich zu sein, sondern auch sich selbst gegenüber.
Ich diente in der Michigan-Lansing-Mission. Das war wahrhaftig die beste Zeit meines Lebens. Meine Mission war so, wie ich es mir erträumt hatte, und mein Zeugnis wurde stärker, als ich es für möglich gehalten hatte. Allmählich fiel mir immer häufiger auf, dass ich mich zu Frauen hingezogen fühlte. Anfangs war das für mich kein großes Thema, und ich versuchte weiterhin, es zu ignorieren. Aber ich fing an, mich wegen dieser Gefühle richtig schuldig zu fühlen.
Ich kehrte von meiner Mission zurück und wusste, dass ich mit jemandem sprechen musste. Meine Schuldgefühle waren überwältigend. Auch wenn ich diesen Gefühlen niemals nachgegeben hatte, schmerzte es mich und ich fragte mich, warum diese Gefühle sein mussten. Als Erstes erzählte ich meinem Therapeuten davon. Das war das erste Mal, dass ich es laut ausgesprochen hatte. Ich weinte stundenlang. Der Gedanke, dass ich mich damit auseinandersetzen musste, war einfach unerträglich. Ich fühlte mich erleichtert, jemandem davon erzählt zu haben; trotzdem überkam mich sofort eine Panik, dass ich es nun offiziell gemacht hatte und es dadurch Realität geworden war. Ich machte immer wieder Phasen durch, in denen ich es leugnete und nicht glauben konnte. Aber je mehr ich mit anderen darüber sprach, desto mehr Frieden und Trost konnte ich fühlen, weil ich so viel Liebe und Unterstützung erhielt.
Obwohl der Schmerz blieb, wurde mir bewusst, was für ein wichtiger Wendepunkt meine Mission in meinem Leben gewesen war. Sie half mir, mich dem Thema zu stellen; das wäre viel schwieriger gewesen, wenn ich aus logischen Gründen jemanden geheiratet hätte und es dann erst nach einigen Jahren Ehe herausgefunden hätte. Ich fing an, für die Erfahrungen trotz des Schmerzes und Leidens dankbar zu sein.
In den sechs Monaten, nachdem ich mir gegenüber mein Coming Out gehabt hatte, erzählte ich nur fünf Leuten davon. Meine größte Hilfe dabei war es, mit meinem Therapeuten darüber zu sprechen. Er half mir dabei, daraus etwas Gutes zu machen und es voll zu akzeptieren. Anfangs dachte ich, dass das einfach sein würde. Ich würde Christus nachfolgen und entweder mein ganzes Leben lang enthaltsam leben oder einen Mann finden und mit ihm offen und ehrlich sein, so dass wir uns eine Ehe erarbeiten konnten und herausfinden konnten, wie wir das Leben zusammen leben könnten.
Ich fand jedoch schnell heraus, wie schwer das tatsächlich werden würde. Ich hatte etwa acht Monate, nachdem ich mir selbst alles eingestanden hatte, eine Krise. Ich erkannte, wie mein Leben wahrscheinlich aussehen würde. Ich erinnere mich daran, wie ich mich gefangen fühlte. Ich hatte das Gefühl, dass ich die Einsamkeit – niemanden zu haben, wenn ich das Evangelium lebte – nicht ertragen konnte, aber ich hatte auch das Gefühl, nicht in einer lesbischen Beziehung leben zu können, weil ich mit einem Zeugnis und der Kenntnis von Gottes heiligem Plan gesegnet worden war. Ich dachte über Selbstmord nach. Ich erinnere mich daran, dass ich dachte, dass Gott eher bereit war, zu vergeben und zu akzeptieren, wenn ich mir das Leben genommen hätte, um der Sünde zu entgehen, als wenn ich ein Leben lang in Sünde gelebt hätte. Das war ein großer Kampf für mich.
Als ich weiter machte, hatte ich viele heilige und spirituelle Erlebnisse, die mein Leben für immer änderten. Indem ich den Tempel besuchte, betete, fastete und mit vielen Freunden und meinen Lieben sprach, fing ich an, mir heilige Antworten zu bekommen, die mich auf den Weg brachten, auf dem ich mich heute befinde.
Eine dieser geistigen Erfahrungen passierten, während ich betete. Ich fühlte einen überwältigenden Frieden.
Gott sprach zu mir und sagte: „Halte noch ein bisschen länger aus. Halte einfach aus.”
In diesem Moment wusste ich, dass er da war und dass wenn ich nur noch ein bisschen aushalten würde, ich das Leben nicht nur hinter mich bringen, sondern es mir dabei auch gut gehen würde.
Durch diese heiligen Erlebnisse bekam ich eine deutliche Antwort von Gott, der mir sagte, dass ich anderen meine Geschichte erzählen sollte. Das machte mir große Angst. Ich hatte das Gefühl, dass ich nicht nur anderen in ähnlicher Situation helfen sollte, sondern dass ich auch Mitgliedern dabei helfen sollte, ein besseres Verständnis des Themas zu bekommen, womit die Leute wirklich umgehen müssen und wie man am besten darauf reagiert und sie weiterhin liebt.
Ich habe viele unterschiedliche Reaktionen erlebt, als ich meiner Familie und meinen Freunden davon erzählte. Am aufbauendsten und stärkendsten waren die einfachen Worte: „Ich liebe dich und werde dich unabhängig davon, wie du dich entscheidest, genauso lieben” stärker als jede Standpauke, jeder Rat, jede Schriftstelle oder jedes Zitat. Das Gefühl bedingungsloser Liebe hielt mich stärker im Evangelium als es irgendetwas anderes hätte tun können. Es gab mir das Gefühl von Sicherheit, und dieses Gefühl der Liebe und Sicherheit gab mir den Mut und die Kraft auf dem Weg zu bleiben, von dem Gott wollte, dass ich ihn gehe.
Die hilfreichste Reaktion eines jeden Führers, Elternteils, Familienmitglieds oder Freundes ist Liebe. Davon habe ich ein Zeugnis, denn ohne die bedingungslose Liebe meines Vaters, Bruders, meiner Schwester, meiner Familienmitglieder, Freunde und Führer wäre ich nicht da, wo ich heute bin.
Der Akt der Liebe, des Mitgefühls und Verständnisses oder selbst der Wunsch, zu verstehen, kann mehr tun als alles andere.
Ich hoffe, dass ich, indem ich meine Geschichte mit anderen teile, die Ähnliches erleben, ihnen dabei helfen kann, ihr Leben zu führen, und Angehörigen, zu lernen, wie sie reagieren sollten. Obwohl es eines der schwersten Dinge ist, die ich durchmachen musste und immer noch durchmache, hat es mich verändert. Und ich glaube, dass es mich auch weiterhin verändert und so machen wird, wie Gott mich haben möchte.
Der Beitrag wurde aus dem Englischen übersetzt und auf mormonandgay.lds.org unter dem Titel „Jessyca’s Story” veröffentlicht. Übersetzt von Kristina Vogt.
Wenn Sie mehr über die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (Mormonen) lernen möchten, dann besuchen Sie einfach eine der offiziellen Webseiten der Kirche: mormon.org und lds.org.
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