Eine Ansprache von Dr. Brad Wilcox, Professor der Brigham Young Universität in Provo.

Brad Wilcox diente als Mitglied der Sonntagsschule im Generalrat der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage. Zur Zeit der Andacht, am 12. Juli 2011, arbeitete er als BYU Dozent in der Abteilung Lehrerschulung für die David O. McKay Schule für Bildung.

Ich bin sehr dankbar heute hier sein zu dürfen. In Begleitung meiner Frau, meiner zwei jüngsten Kinder, die beide gerade zur BYU gehen und weiteren Familienmitgliedern.

Es ist für mich eine Ehre eingeladen worden zu sein und heute zu euch sprechen zu dürfen. Vor einigen Jahren empfing ich eine Einladung auch zur allgemeinen Frauenkonferenz zu sprechen. Als ich meine Frau darüber berichtete, fragte sie mich: „Was sagten sie, über was du sprechen sollst?“

Ich war so begeistert, dass sich meine Worte verdrehten und ich sagte: „Sie wollen, dass ich darüber spreche, wie man seine Stärken zu Schwächen umwandelt.“

Sie dachte für eine Minute nach und sagte: „Naja, dann haben sie ja den richtigen Mann für diesen Job!“

Sie hat Recht. Ich könnte eine halbe Ewigkeit über das Thema sprechen, aber ich denke es ist besser, wenn ich zurück zum eigentlichen Thema kehre und darüber spreche, wie wir unsere Schwächen zu Stärken umwandeln können, und wie die Gnade Jesu Christi dafür ausreichend ist (siehe Ether 12:27, Lehre und Bündnisse 17:8, 2 Korinther 12:9). Ausreichend, um uns zu decken, ausreichend, um uns zu verändern und ausreichend, um uns während des Veränderungsprozesses zu helfen.

Die Gnade Christi umfasst uns ganz

Eine Studentin der BYU kam eines Tages mal zu mir und fragte mich, ob ich Zeit zum sprechen hätte. Ich sagte: „Natürlich. Wie kann ich dir helfen?“

Sie sagte: „Ich verstehe das mit der Gnade nicht.“

Ich antwortete: „Was verstehst du daran nicht?“

Sie erwiderte: „Ich weiß ich muss mein Bestes geben und dann wird Jesus den Rest dazutun. Aber ich schaffe es nicht einmal mein Bestes zu geben.“

Sie erzählte mir dann von all den Dingen die sie tun müsste, weil sie Mormonin ist, die sie aber nicht tat: „Ich weiß, dass ich meinen Teil tun muss und durch Jesus dann alles so verändert wird, dass die Lücke die mir zur Vollkommenheit fehlt, gefüllt wird. Aber wer füllt die Lücke zwischen mir und dem Teil den ich tun muss?“

Ich sagte zu ihr: „Jesus gibt nicht nur den Rest dazu. Jesus gibt alles dazu. Bei der Gnade geht es nicht darum Lücken zu füllen. Es geht darum uns zu füllen.“

Als ich sah, dass sie noch etwas verwirrt war, nahm ich ein Blatt Papier und malte zwei Punkte darauf. Den einen Punkt auf die obere Hälfte des Blattes, welcher Gott darstellen sollte und den Zweiten auf die Untere, welcher uns darstellen sollte. Ich sagte dann zu ihr: „Leg los. Zieh die Linie. Wie viel davon ist unser Teil? Wie viel ist der Teil von Christus?“

Sie ging sofort zur Mitte des Blattes und begann eine Linie zu zeichnen. Aber dann erinnerte sie sich an das, was wir besprochen hatten und ging zur unteren Seite des Blattes und malte einen Strich genau über den unteren Punkt.

Ich sagte: „Falsch.“

Sie antwortete: „Ich wusste die Linie ist weiter oben. Ich hätte sie einfach so zeichnen sollen. Ich habe mir das schon gedacht.“

Ich erwiderte ihr: „Nein. Die Wahrheit ist, dass es gar keine Linie gibt. Jesus füllt den gesamten Bereich. Er bezahlte komplett für unsere Sünden. Er hat nicht alles bis auf ein paar Münzen bezahlt. Er hat alles bezahlt. Es ist vollendet.”

Darauf sagte sie: „Richtig! Muss ich jetzt nichts mehr machen?”

„Oh nein“ sagte ich. „Du musst noch einiges tun. Es dient aber nicht dazu die Lücke zu füllen. Wir werden alle wieder auferstehen. Wir werden alle wieder zurück in Gottes Gegenwart gehen. Was noch durch unseren Gehorsam bestimmt werden muss, ist, mit was für einem Körper wir planen unsere Auferstehung zu erleben, wie wohl wir uns in der Gegenwart Gottes fühlen und für wie lange wir planen bei ihm zu bleiben.“

Christus bat uns Glauben an ihn zu haben, umzukehren, Bündnisse einzugehen und zu halten, den Heiligen Geist zu empfangen und bis ans Ende auszuharren. Wenn wir uns danach richten, zahlen wir nicht die Erfordernisse der Gerechtigkeit, nicht einmal den geringsten Teil. Stattdessen zeigen wir unsere Anerkennung für das was Jesus Christus getan hat, indem wir wählen so zu leben wie Er.

Gerechtigkeit erfordert augenblickliche Vollkommenheit oder eine Strafe, wenn wir etwas oder jemandem nicht gerecht werden. Aber weil Jesus die Strafe bereits auf sich genommen hat, kann er uns die Möglichkeit zur letztendlichen Vollkommenheit anbieten (siehe Matthäus 5:48, 3 Nephi 12:48) und uns helfen, dieses Ziel zu erreichen. Er kann uns vergeben, was Gerechtigkeit nicht vergeben konnte und er kann an uns seine eigenen Anforderungen stellen (siehe 2 Nephi 2:7, 3 Nephi 9:20).

„Also, was ist der Unterschied?“ fragte das Mädchen. „Ob nun die Gerechtigkeit unsere Mühen fordert oder Jesus, sie werden sie dennoch gefordert.“

„Stimmt“, sagte ich. „Aber sie sind aus einem anderen Zweck verlangt. Den Anforderungen Christi nachzukommen ist wie eine Hypothek zu begleichen, statt Miete zu zahlen, es ist wie Einlagen auf ein Sparkonto zu zahlen, statt Schulden auszugleichen. Du solltest dennoch jeden Monat einreichen, aber der Grund ist ein komplett anderer.“

Die Gnade Christi ist ausreichend um uns vollkommen zu verändern

Die Abmachung zwischen Jesus Christus und uns, ist ähnlich, wie die zwischen einer Mutter und ihrem Kind, dem sie Musikunterricht ermöglicht. Die Mutter bezahlt den Klavierlehrer. Wie viele wissen, wovon ich spreche? Weil die Mutter den Betrag komplett bezahlt, kann sie im Gegenzug das Kind um etwas bitten. Und was wäre das? Übung! Begleicht das Kind mit dem Üben die Rechnung für den Klavierlehrer? Nein. Zahlt das Kind  durch das Klavierüben den Betrag bei der Mutter ab? Nein.

Wenn das Kind übt, zeigt es Anerkennung für das großartige Geschenk seiner Mutter. Es zeigt, inwiefern das Kind diese wundervolle Gelegenheit, sein Leben auf ein höheres Level zu heben, nutzt. Die Freude der Mutter ist nicht darin gefunden, zurückbezahlt zu werden, sondern zu sehen, dass ihr Geschenk genutzt wird, wie das Kind sich stetig verbessert. Und genau deswegen erinnert sie ihr Kind ständig daran zu üben, üben, und wieder zu üben.

Wenn ein Kind die Anforderungen seiner Mutter als zu herrisch empfindet („Oh Mann, Mama, warum muss ich so viel üben? Keines der anderen Kinder muss üben! Ich werde sowieso eines Tages eher ein Profibasketballer werden!“), dann liegt das wahrscheinlich daran, dass es noch nicht mit den Augen einer Mutter sieht. Es erkennt nicht, wie viel besser das Leben aussehen könnte, wenn es sich dazu entschließen würde, auf einer höheren Ebene zu leben.

Auf die gleiche Art und Weise, weil Jesus für uns die Gerechtigkeit bezahlt hat, kann Er sich nun an uns wenden und sagen: „Folge mir“ (Matthäus 4:19) und „Halte meine Gebote“ (Johannes 14:15). Wenn wir seine Anforderungen als „zu viel“ betrachten („Meine Güte! Keine der anderen Christen müssen den Zehnten zahlen! Keine der anderen Christen müssen auf Mission gehen, in Berufungen dienen oder Tempelarbeit verrichten!“), dann liegt es wahrscheinlich daran, dass wir noch nicht durch die Augen Christi sehen. Wir haben dann noch nicht verstanden, was er mit uns vor hat.

Elder Bruce C. Hafen schrieb: „Der große  Schlichter bittet um unsere Umkehr. Nicht weil wir ihm die Schuld der Gerechtigkeit „zurückzahlen“ müssen, die Er bezahlt hat, sondern weil Umkehr einen Entwicklungsprozess einleitet, der uns, mit der Hilfe des Erretters, den Pfad entlang zu einem geheiligten Charakter führt.“ (The Broken Heart [Salt Lake City: Deseret Book, 1989] 149)

Elder Dallin H. Oaks sagte in Bezug auf eine Erläuterung von Spencer W. Kimball: „Der Sünder der umkehrt, muss für seine Sünden leiden, aber dieses Leiden hat einen anderen Grund, als eine Strafe oder eine Bezahlung. Der Grund ist die Veränderung.“ (The Lord’s Way [Salt Lake City: Deseret Book, 1991] 223)

Lass uns das auf unser Gleichnis beziehen: Das Kind muss üben Klavier zu spielen, aber das Üben hat einen anderen Grund als Strafe oder Bezahlung. Die Absicht dahinter ist die Veränderung.

Ich habe Born-Again-Christen als Freunde, die zu mir sagen „Ihr Mormonen versucht euch den Weg in den Himmel zu verdienen.“

Ich pflege zu sagen: „Nein, wir verdienen uns nicht den Himmel, sondern wir lernen den Himmel verstehen. Wir bereiten uns darauf vor (siehe Lehre und Bündnisse 78:7). Wir üben dafür.“

Sie fragen dann: “Seid Ihr durch Gnade errettet worden?“

Meine Antwort ist: “Ja. Absolutes, totales, komplettes, dankbares Ja!“

Dann frage ich sie etwas, was sie vorher wohlmöglich noch nicht ganz bedacht haben: „Seid Ihr aufgrund von Gnade verändert worden?“ Sie sind so begeistert durch Gnade errettet worden zu sein, dass sie vielleicht nicht darüber nachdenken, was danach kommt. Sie sind so glücklich darüber, dass die Schuld bezahlt ist, dass sie vielleicht noch nicht betrachtet haben, warum die Schuld überhaupt vorhanden war. Heilige der Letzten Tage wissen nicht nur, wovon uns Jesus errettet hat, sondern auch, für was er uns aufbewahrt hat.

Mein Freund Brett Sanders drückte es folgendermaßen aus: „Ein Leben von Gnade beeinflusst sieht letztendlich aus wie das Leben Christi.“ Und mein Freund Omar Canals drückte es wie folgt aus: „Während viele Christen die Leiden Christi wie einen großen Gefallen, den Er uns erwiesen hat, betrachten, erkennen die Heiligen der Letzten Tage ebenso an, dass er eine große Investition in uns gemacht hat.“ Moroni erklärte, dass es bei der Gnade nicht nur darum geht, errettet zu sein. Es geht auch darum, wie der Erretter zu werden (siehe Moroni 7:48).

Das Wunder des Sühnopfers besteht nicht nur darin, dass wir nach dem Tod wieder leben können, sondern darin, dass wir ergiebiger leben können (siehe Johannes 10:20).

Das Wunder des Sühnopfers besteht nicht nur darin, dass wir gereinigt und getröstet werden können, sondern darin, dass auch wir verändert werden können (Römer 8).

Die Schriften verdeutlichen, dass nichts Unreines in der Gegenwart Gottes leben kann (siehe Alma 40:26), aber, liebe Brüder und Schwestern, nichts Unverändertes wird es auch nur wollen.

Ich kenne einen jungen Mann, der vor kurzem aus dem Gefängnis kam – wieder mal. Jedes Mal wenn zwei Wege auseinanderführen, wählt er den falschen aus. Jedes Mal. Als er noch ein Teenager war, mit all den schlechten Angewohnheiten die ein Teenager nur haben kann, sagte ich zu seinem Vater, dass wir ihn zu EFY1 bringen müssten. Seit 1985 habe ich mit diesem Programm gearbeitet und weiß, dass es viel Gutes bewirken kann.

Sein Vater sagte: “Ich kann mir das nicht leisten.”

Ich antwortete: „Ich kann es mir auch nicht leisten. Aber du gibst einen Teil, ich gebe einen Teil und dann gehen wir zu meiner Mutter, die sehr großzügig ist.“

Schlussendlich bekamen wir das Kind zu EFY. Aber was glaubt ihr, wie lange das gut ging? Nicht einmal einen Tag. Bereits am Abend empfing seine Mutter einen Anruf, indem er sagte: „Holt mich hier raus!“ Das Himmelreich wird keines für diejenigen sein, die sich nicht dazu entscheiden himmlisch zu sein.

In der Vergangenheit hatte ich ein bestimmtes Bild in meinem Kopf, wie das Letzte Gericht wohl aussehen würde. Es war folgendermaßen: Jesus stand mit einem Klemmbrett in der Hand auf der einen Seite und Brad auf der anderen Seite des Raumes, nervös auf Jesus blickend.

Jesus überprüfte sein Klemmbrett und sagte: „Oh, nein, Brad. Du hast es um genau zwei Punkte verfehlt.”

Brad fleht Jesus an: „Bitte, schau Dir die Aufsatzfrage nochmal an! Da müssen doch irgendwo noch zwei Punkte rauszuholen sein.“ So in etwa stellte ich es mir immer vor.

Aber je älter ich werde, und je besser ich den wundervollen Plan der Erlösung verstehe, umso mehr begreife ich, dass im Letzten Gericht der Sünder, der nicht umgekehrt ist, nicht vor Jesus stehen wird und ihn anbettelt bei ihm bleiben zu dürfen. Er wird wohl eher sagen: „Holt mich hier raus!“. Wenn hier jemand betteln wird, dann wird es wahrscheinlich eher Jesus Christus sein, der den Sünder anfleht: „Bitte, bleib doch hier. Bitte benutze mein Sühnopfer – nicht nur um gereinigt zu werden, aber um so verändert zu werden, dass du hier bleiben möchtest.“

Das Wunder des Sühnopfers besteht nicht nur darin, dass wir nach Hause gehen können, sondern, dass wir uns dort auf wundersame Weise wohl fühlen. Wenn Christus keinen Glauben und keine Umkehr fordern würde, dann gäbe es nicht den Wunsch sich zu ändern. Denkt an eure Freunde und Familienmitglieder, die sich dazu entschlossen haben ohne Glauben und Umkehr zu leben. Sie wollen sich nicht ändern. Sie versuchen nicht Sünde zu umgehen und sich bei Gott wohl zu fühlen. Stattdessen versuchen sie Gott zu umgehen und sich in Sünde wohl zu fühlen.

Wenn Jesus keine Bündnisse von uns fordern würde und uns nicht die Gabe des Heiligen Geistes gewähren würde, dann gebe es keine Möglichkeit sich zu verändern. Wir würden für immer nur mit eigener Willensstärke, ohne Zugriff auf seine Macht zurückgelassen werden.

Wenn Jesus nicht von uns verlangen würde bis ans Ende auszuharren, dann würden wir die Veränderungen nicht verinnerlichen können. Sie würden für immer oberflächig sein, statt in uns und ein Teil von uns zu sein. Ein Teil von dem, wer wir sind. Um es einfach auszudrücken: Wenn Jesus nicht von uns erwarten würde zu üben, würden wie nie zu Pianisten werden.

Die Gnade Christi ist ausreichend um uns zu helfen

„Aber Bruder Wilcox, verstehen Sie denn nicht, wie schwierig es ist zu üben? Ich bin wirklich nicht gut im Klavierspielen. Ich verspiele mich ständig. Ich brauche ewig um es richtig hinzukriegen.”

Warte, ist das nicht alles Teil des Lernprozesses? Wenn ein junger Klavierspieler einen falschen Ton spielt, dann sagen wir nicht, dass er nicht würdig ist weiter zu üben. Wir erwarten von ihm nicht makellos zu sein. Wir erwarten nur, dass er es weiterhin versucht. Perfektion mag womöglich sein letztendliches Ziel sein, aber in der Zwischenzeit können wir uns über den bereits erbrachten Fortschritt freuen.

Viel zu viele in der Kirche geben auf, weil sie es leid sind permanent den Erwartungen nicht gerecht zu werden. Sie haben es in der Vergangenheit versucht und fühlen sich dennoch so, als wären sie nicht gut genug. Sie verstehen die Gnade nicht.

Es gibt junge Frauen, die wissen, dass sie Töchter unseres Vaters im Himmel sind, der sie liebt und den sie lieben. Doch nach ihrem Schulabschluss werden die erlernten Wertvorstellungen geprüft. Doch sie rutschen ab. Sie lassen es zu, dass einige Dinge zu weit gehen und plötzlich denken sie, es ist alles verloren. Sie verstehen die Gnade nicht.

Es gibt junge Männer, die ihr ganzes Leben lang das Lied “Ich möchte einmal auf Mission gehen” singen. Wenn sie dann ein Ende größer sind dann bekommen auch sie ihren Abschluss und gehen fort, um auf die Universität zu gehen. Dort finden diese jungen Männer heraus, wie einfach es ist, nicht vertrauenswürdig, loyal, hilfsbereit, freundlich, zuvorkommend, nett, lustig, sparsam, tapfer, rein, oder ehrfürchtig zu sein. Sie versagen. Sie versprechen es nie wieder zu tun und tun es dennoch. Dann versprechen sie es wirklich nie wieder zu tun und tun es weiterhin. Danach sehen sie ein, wie dumm es war und versprechen es nie wieder zu tun, und tun es nochmals. Die Schuld fühlt sich fast unerträglich an und sie trauen sich nicht zum Bischof zu gehen. Stattdessen verstecken sie sich und sagen: „Ich kann dieses Mormonenzeug nicht länger durchziehen. Ich habe es versucht und die Erwartungen sind zu groß.“ Also geben sie auf. Diese jungen Männer verstehen die Gnade nicht.

Ich kenne zurückgekehrte Missionare, die nach Hause kommen und zurück in ihre alten Gewohnheiten rutschen, von denen sie dachten, sie wären Vergangenheit. Sie brechen Versprechen, die vor Gott, Engeln und Zeugen gemacht wurden und sind überzeugt, dass es für sie keine Hoffnung mehr gibt. Sie sagen: „Ich habe es vermasselt. Es bringt nichts mehr es zu versuchen.“ Im Ernst? Diese jungen Leute haben anderen Leuten ihre gesamte Mission von Jesus Christus und seinem Sühnopfer erzählt und glauben nun, dass es für sie keine Hoffnung mehr gibt? Diese zurückgekehrten Missionare verstehen die Gnade nicht.

Ich kenne junge verheiratete Paare, die nach ihrer Siegelungszeremonie im Tempel herausfinden, dass eine Ehe Anpassungen erfordert. Dieser Druck beginnt Auswirkungen auf die Finanzen, die Geistigkeit und sogar auf die Sexualität zu haben. Fehler werden gemacht. Schon bald darauf reden diese Ehemänner und Ehefrauen mit den Scheidungsanwälten statt miteinander. Diese Paare verstehen die Gnade nicht.

In allen Fällen sollte es niemals nur zwei Optionen geben: Perfektion oder Aufgeben. Wenn man lernt Klavier zu spielen, gibt es etwa auch nur die zwei Optionen beispielsweise in der Carnegie Hall aufzutreten oder aufzugeben? Nein. Wachstum und Entwicklung brauchen ihre Zeit. Etwas zu lernen braucht seine Zeit.

Wenn wir Gnade verstehen, verstehen wir auch, dass Gott langmütig ist, dass Veränderung ein Prozess ist und dass Umkehr ein Muster in unserem Leben ist.

Wenn wir Gnade verstehen, dann verstehen wir auch, dass die Segnungen vom Sühnopfer Christi fortlaufend sind und seine Stärke in unseren Schwächen vollkommen wird (siehe 2. Korinther 12:9). Wenn wir Gnade verstehen, können wir, wie es in Lehre und Bündnisse geschrieben steht, fortfahren „in Geduld, bis [wir] vollkommen geworden [sind].“ (Lehre und Bündnisse 67:13)

Ein junger Mann schrieb mir einmal folgende Email: „Ich weiß, dass Gott machtvoll ist und ich weiß auch, dass er mir helfen wird, wenn ich würdig bin. Aber ich bin einfach nie würdig genug, um für seine Hilfe zu bitten. Ich möchte die Gnade Christi, doch befinde mich immer in derselben beklemmenden und selbstzerstörerischen Lage: Kein Fleiß, keine Gnade.“

Ich schrieb ihm zurück und bezeugte von ganzem Herzen, dass Jesus Christus nicht am Ende der Ziellinie wartet, sobald wir alles getan haben, was wir konnten (2.Nephi 25:23). Er ist bei uns. Bei jedem Schritt des Weges.

Elder Bruce C. Hafen schrieb: „Das Geschenk der Gnade des Erretters ist nicht zeitlich begrenzt, “nachdem“ wir alles uns mögliche getan haben. Wir können seine Gnade bevor, während und nachdem wir unser Mögliches tun, empfangen. (The Broken Heart [Salt Lake City: Deseret Book, 1989],155).

Die Gnade ist kein Beschleuniger der einmalig angeht, sobald unser Treibstoffvorrat erschöpft ist. Stattdessen ist sie eher unsere beständige Energiequelle. Sie ist nicht das Licht am Ende des Tunnels, sondern das Licht, dass uns durch den Tunnel führt. Gnade wird nicht irgendwo am Ende der Reise erreicht. Sie wird hier und jetzt empfangen. Es ist nicht ein vollendender Touch, es ist der Touch des Vollenders (siehe Hebräer 12:2).

In zwölf Tagen feiern wir Pioneer Day. Die erste Handkarrenkompanie erreichte am 24. Juli 1847 das Salzseetal. Deren Reise war sehr schwierig und voller Herausforderungen und dennoch sangen sie:

„Kommt, Heilge, kommt! Nicht Müh und Plagen scheut,

wandert froh euren Pfad!

Ob rauh und schwer der Weg erscheinet heut,

jeder Tag bringt euch Gnad!“

[„Kommt, Heilge, kommt!“, Gesangbuch, S.19]

„Gnade wird wie euer Tag sein“ (direkte Übersetzung des letzten Verses im Englischen [Anm. der Redaktion]) – was für ein interessanter Satz. Viele von uns haben diesen Satz bereits oft gesungen, aber aufgehört darüber nachzusinnen, was damit gemeint sein könnte. „Gnade wird wie euer Tag sein“: Gnade wird wie ein Tag sein. Egal wie dunkel die Nacht auch sein mag, können wir uns dennoch auf die aufgehende Sonne verlassen. So dunkel unsere Prüfungen, Sünden und Fehler auch erscheinen mögen, wir können immer  auf die Gnade Jesu Christi vertrauen. Verdienen wir uns den Sonnenaufgang? Nein. Müssen wir für eine weitere Chance neu anfangen zu können würdig sein? Nein. Wir müssen diese Segnungen nur akzeptieren und sie nutzen.

Genauso sicher wie jeder neue Tag, ist auch Gnade – die befähigende Macht Jesu Christi – beständig. Die glaubenstreuen Pioniere wussten, dass sie nicht alleine sind. Die bevorstehende Aufgabe, war nie so groß wie die Macht, die hinter ihnen stand.

Fazit der Gnade Christi

Die Gnade Christi ist ausreichend – ausreichend um unsere Schuld zu begleichen, ausreichend um uns zu vollkommen zu verändern und ausreichend, um uns zu helfen, solange der Veränderungsprozess auch andauern mag. Das Buch Mormon lehrt uns, uns ganz auf die „Barmherzigkeit und Gnade des heiligen Messias“ zu verlassen (2 Nephi 2:8).

Wenn wir das tun, werden wir nicht feststellen, wie es viele Christen glauben, dass Christus nichts von uns verlangt. Stattdessen werden wir den Grund dafür feststellen, warum er so viel von uns verlangt und wie wir die Stärke bekommen, alles zu tun, was er von uns erwartet (siehe Philliper 4:13). Gnade ist nicht die Abwesenheit von Gottes hohen Erwartungen. Gnade ist die Anwesenheit von Gottes Macht (siehe Lukas 1:37).

Elder Neal A. Maxwell sagte Folgendes:

„Ich möchte jetzt zu denjenigen sprechen, die, obwohl sie hingebungsvoll im Reich Gottes arbeiten, das immer wiederkehrende Gefühl haben, niemals genug zu tun[…]

Das Gefühl der Unzulänglichkeit ist normal[…] Es gibt keinen Weg durch den die Kirche ehrlich beschreiben kann, wohin wir noch gehen müssen und was noch getan werden muss, ohne ein Gefühl der unüberbrückbaren Distanz zu schaffen. […]

Das Evangelium ist voller Erwartungen, aber die Gnade Gottes ist für Jeden von uns ausreichend. [CR, Oktober 1976, 14, 16; „Notwithstanding My Weakness“, Ensign, November 1976, 12, 14]

Mit den Worten von Elder Maxwell bezeuge ich, dass Gottes Gnade ausreichend ist. Die Gnade Jesu ist ausreichend. Sie ist genug. Sie ist alles, was wir brauchen. Oh, ihr jungen Leute, gebt nicht auf. Versucht es weiter. Sucht nicht nach Ausreden oder Fluchtmöglichkeiten. Sucht nach dem Herrn und seiner vollkommenen Macht. Sucht nicht nach jemandem, den ihr beschuldigen könnt. Sucht lieber nach jemandem, der euch helfen kann. Trachtet nach Christus. Und ich verspreche euch, dass wenn ihr das tut, ihr die befähigende Stärke verspüren werdet, die wir seine unglaubliche Gnade nennen.

Ich schließe mit meinen Zeugnis und all meiner Liebe – denn ich habe euch wirklich lieb.

So wahr Gott mein Zeuge ist, habe ich die Jugend dieser Kirche sehr lieb. Ich glaube an euch. Ich ziehe mit euch am gleichen Strang. Und ich bin nicht der Einzige. Genauso tun es eure Eltern, eure Führer und Propheten. Und vor allem Jesus Christus. Ich sage das im Namen Jesu Christi, Amen.


Für mehr Informationen über die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage besuchen Sie einfach die offizielle Website lds.org.