Dies ist Teil 1 eines zweiteiligen Artikels über Zorn. In diesem ersten Teil wird darauf eingegangen, woher Zorn kommt, inwieweit er uns beeinflusst und was der Herr über uns und unsere Probleme mit Zorn zu sagen hat. In diesen beiden Artikeln wird auf „manipulativen Zorn‟ eingegangen.

In Teil 2 werden wir uns mit dem Zorn des Herrn befassen – was das ist und ob es das gleiche ist wie das, was wir an uns selbst erfahren. Ich werde viel zitieren aus verschiedenen Ansprachen und Artikeln. Der Artikel besteht also aus der Arbeit eines erfahrenen Beraters, Aussagen von Mitgliedern der Siebziger, Aposteln und Propheten.

Ein Blick auf den menschlichen Zorn

Im 3 Nephi 11: 29 heißt es: „…wer den Geist des Streites hat, ist nicht von mir, sondern ist vom Teufel, der der Vater des Streites ist, und er stachelt den Menschen das Herz auf, im Zorn miteinander zu streiten.‟

Streit mit jemandem zu haben ist die eine Sache. Man kann auch mit jemandem auf anständige Art und Weise „streiten‟, in einem Wettstreit zum Beispiel. Aber wenn man im Zorn streitet, ist das etwas anderes. Präsident Spencer W. Kimball beschreibt in seinem Buch ‘Das Wunder der Vergebung’, dass Zorn eine Gedankensünde ist, die, wenn sie nicht unter Kontrolle gebracht wird, zu Bösartigkeit und Gewalt führen kann. Burton C. Kelly beschrieb in einem Ensign-Artikel vom Februar 1980 den Zorn auf nachfolgende Weise. Dieser Auszug seines Artikels betont, dass Zorn sehr davon abhängt, wie wir unsere Entscheidungsfreiheit nutzen. (Burton C. Kelly in an Ensign article dated February of 1980)

„Ẅir machen uns selbst zornig. Was andere sagen oder tun, gehört natürlich auch dazu, aber trotzdem kommt Zorn nicht auf, ohne dass wir darauf Einfluss nehmen. …Solange wir unsere eigenen Emotionen bestimmen, können wir diese auch ändern und kontrollieren. Wenn andere Menschen tatsächlich für das verantwortlich wären, was wir fühlen, wäre uns dadurch die Fähigkeit genommen, uns zu verändern – außer es gelänge uns, diese Menschen und Ereignisse zu kontrollieren. Das ist jedoch normalerweise nicht möglich. Das erste Prinzip zur Definition von Zorn ist also: Wir sind letztendlich selbst für unseren Zorn verantwortlich.

Die primäre Funktion von Zorn ist es, Kontrolle über andere auszuüben. Es gibt Menschen, die diese Kunst sehr gut gelernt haben. Sie kriegen das, was sie wollen, indem sie laut und wütend werden. Um den anderen zu besänftigen, gibt die Person, der dieser Wutausbruch gilt, oft nach und tut, was der Erzürnte möchte.

Wütend auf andere zu sein ist also die Konsequenz von Sünde oder von unredlichen Gedanken.‟

Kelly fährt damit fort zu beschreiben, inwiefern Zorn eine Gedankensünde ist. Es hängt damit zusammen, dass wir bestimmte Erfahrungen machen, wenn wir dieser Sünde schuldig sind. Um diese Gedankensünde zu begehen, müssen wir entweder ganz egoistisch unseren Willen jemandem aufzwingen, oder wir stellen uns sozusagen als Richter über eine andere Person. Wir verurteilen sie dafür, dass sie sich anders verhält als wir erwarten. Egal, wessen davon wir schuldig sind, beides führt dazu, dass wir anderen aus egoistischen Gründen die Entscheidungsfreiheit nehmen möchten.‟  Er fährt fort:

Wut ist eine Sünde des Herzens.„Wir haben bereits gesehen, dass die Wut auf jemanden nur dann entstehen kann, wenn wir Sünde begehen (nämlich unredliche Gedanken haben). Aber auch die Wut selbst und ihre Folgen sind sündhaft. Zorn lässt sich darüber definieren, dass er Wachstum und Fortschritt eines Menschen hemmt. Wir müssen diese dritte Eigenschaft von Zorn erkennen.‟

Auch moderne Propheten warnen uns vor Zorn: „Lasst Zorn niemals in eurer Brust aufkommen. Das Böse mag euch nämlich überwältigen, tut ihr dies.” (Brigham Young, Journal of Discourses, 6:290); „In dem Moment, wo ein Mann oder eine Frau zornig wird, zeigt er oder sie große Schwäche.” (Wilford Woodruff, Journal of Discourses 4:98); „Wut, die einen dazu veranlasst, einen anderen zu verurteilen, gleicht einem Verbrechen.” (David O. McKay, Pathways to Happiness, comp. Lewellen R. McKay, Salt Lake City: Bookcraft, 1957, p. 321).

Schauen wir uns noch einmal unsere Definition von Zorn an. Für mich ist es eine Emotion, die daher rührt, dass wir andere unrechtmäßig verurteilen, dass wir andere kontrollieren wollen oder dass wir darauf aus sind, unsere eigenen egoistischen Bedürfnisse zu befriedigen.

Ein Therapeut sagte mir einmal, dass man seine Beherrschung nicht verliert; wir benutzen unsere Launen, um das zu bekommen, was wir wollen. Bruder Burton sagt das auch. Zorn steht im Widerspruch zur Entscheidungsfreiheit, weil wir nur zornig sein können, wenn wir urteilen und egoistische Gedanken und Wünsche haben. Zorn ist ein unverhohlener Ausdruck von Stolz – und steht damit im Gegensatz zur Nächstenliebe.

Unsere Führer / Kirchenoberhäupter warnen uns vor Zorn

Im April 1998 sprach Lynn G. Robbins bei der Generalkonferenz über das Thema „Entscheidungsfreiheit und Zorn‟. Darin "Wer den Geist des Streites hat, ist nicht von mir, sondern ist vom Teufel, der der Vater des Streites ist, und er stachelt den Menschen das Herz auf, im Zorn miteinander zu streiten."sagt er:

„In der Bibelübersetzung von Joseph Smith lesen wir in Epheser 4:26: ‚Könnt ihr zornig sein aber nicht sündigen?‛ Auch der Herr spricht mit viel Klarheit über dieses Thema: ‚Wer den Geist des Streites hat, ist nicht von mir, sondern ist vom Teufel, der der Vater des Streites ist, und er stachelt den Menschen das Herz auf, im Zorn miteinander zu streiten. Siehe, es ist nicht meine Lehre, den Menschen das Herz mit Zorn gegeneinander aufzustacheln; sondern es ist meine Lehre, dass Derartiges hinweggetan werden soll.‛‟ (3 Nephi 11:29,30).

Im letzten Abschnitt schreibt Bruder Robbins:

„Auch zornig zu werden ist nicht gerechtfertigt. In Matthäus 5:22 sagt der Herr: ‚Ich aber sage euch: Jeder, der seinem Bruder auch nur zürnt, soll dem Gericht verfallen sein; und wer zu seinem Bruder sagt: Du Dummkopf!, soll dem Spruch des Hohen Rates verfallen sein; wer aber zu ihm sagt: Du (gottloser) Narr!, soll dem Feuer der Hölle verfallen sein.‛‟ (Die Einheitsübersetzung stimmt nicht mit der King-James-Übersetzung überein. Sie entspricht der inspirierten Version bzw. 3 Nephi 12:22. Deswegen habe ich den Text hier gekürzt) Wer ihm auch nur zürnt – Wir haben also keine Entschuldigung. „Siehe, es ist nicht meine Lehre, den Menschen das Herz mit Zorn gegeneinander aufzustacheln; sondern es ist meine Lehre, dass Derartiges hinweggetan werden soll.‟  (3 Nephi 11:30). Derartiges – Zorn – kann hinweggetan werden – er hat uns dies gelehrt und geboten.

Bruder Elray L. Christiansen hielt 1971 bei der April-General-Konferenz eine Ansprache zum Thema „Lasst euch nicht zum Zorn reizen‟. Im Folgenden wird ein Auszug seiner Ansprache gegeben, in der er über die Bedeutung davon spricht, dass wir Emotionen, die Zorn auslösen, kontrollieren lernen müssen.

Auch innerhalb der Familie kann es zu Ärger und Yorn kommen. Wichtig ist, dass Eltern daher mit gutem Beispiel vorangehen.„Selbst in unseren Familien mag es Situationen geben, die Ärger verursachen. Eltern müssen in diesem Fall mit gutem Beispiel vorangehen und ruhig bleiben. Jemand, der launisch ist, ist wie ein undiszipliniertes Kind – er explodiert plötzlich oder er schmollt einfach und missachtet dabei die Gefühle der Menschen um sich herum. Gerade zu Hause sollte der Ärger kontrolliert werden und die Liebe vorherrschen. Was für eine Chance hat ein Kind, kultiviert und edel zu werden, das in den prägenden Jahren mit ungezügeltem Temperament konfrontiert ist, das hören muss, wie sich Vater und Mutter beschimpfen und das sieht, dass statt  einer Atmosphäre von Güte und gegenseitigem Respekt Streit vorherrscht? Das Gemüt eines Kindes ist wie die sensiblen Linsen eines Fotografen: Jeder Zwischenfall wird aufgezeichnet, egal ob er gut oder schlecht ist. Kinder mögen vielleicht vergessen, was gesagt wurde, aber sie vergessen niemals, wie sie sich dabei gefühlt haben.‟

Die Geduld zu verlieren, zu explodieren, sich zu beschimpfen, zu bestrafen und hasserfüllt zu sein, nur weil wir frustriert sind, ist unentschuldbar!

Warum ist es aber so schlimm, vor Wut zu platzen und Rache üben zu wollen? Ganz einfach: weil wir die Macht haben, diese Neigung unter Kontrolle zu bringen und loszuwerden. Wenn wir uns nicht zügeln, verlieren wir dadurch den Respekt und die Liebe anderer Menschen.

Diese Brüder lehren uns, dass Wut eine Leidenschaft ist, die gezügelt werden muss. Der Herr heißt sie nicht gut. Die, die ihren Zorn nicht unter Kontrolle bekommen, werden von Gott verurteilt. Aus Wut wird fast immer der Wunsch, jemand anderem die Entscheidungsfreiheit zu nehmen. Dieser Wunsch wird durch Stolz und Egoismus noch verstärkt.

Interessanterweise habe ich festgestellt, dass ich vor allem dann wütend auf meine Kinder oder andere Menschen wurde, wenn mich Unerwartetes überraschte. Ich fühlte mich gefangen und ohnmächtig. In diesen Momenten hatte ich die größte Wut. Wusste ich aber, dass etwas passieren würde – egal, ob es sich um die Entscheidung eines meiner Kinder handelte, die es treffen wollte, oder um etwas, das mit mir persönlich zu tun hatte – dann war Zorn nicht weiter ein Problem. Wenn wir nicht das Gefühl des Gefangenseins haben, sondern ein Ereignis als das sehen, was es ist, können wir mit Situationen gelassener umgehen und dem anderen mit Liebe begegnen.

Mit welchen Hilfsmitteln schafft ihr es, euch nicht verletzt zu fühlen und zornig zu sein, sondern Liebe zu verspüren, wenn ihr euch in einer stressigen Situation befindet? Glaubt ihr, dass ihr Wutausbrüche vermeiden könnt, wenn ihr das Ereignis oder die Entscheidung kommen seht?


Verweise (aus Teil 1 und 2)

Love and Law

DALLIN H. OAKS vom Kollegium der 12 Apostel

The Grandeur of God

JEFFREY R. HOLLAND vom Kollegium der 12 Apostel

Agency and Anger, LYNN G. ROBBINS vom 2. Kollegium der Siebziger

Strong’s Expanded Exhaustive Concordance of the Bible (Red Letter Edition) 2010 pp. 24-25

Hebrew #639 ‘aph, af: the nose or nostril; hence, the face; wrath, anger;4b…quick to anger might literally mean “short of face/nostrils” constitute an idiom meaning longsuffering or slow to anger. This meaning is applied to God as a figure of speech (anthropopathism)whereby He is attributed human emotions. Since God is infinite, eternal, and unchangeable and since anger is an emotion representing a change in one’s reaction, God does not really become angry. He only appears to do so in the eyes of men.

Be Slow to Anger, ELRAY L. CHRISTIANSEN

The Case Against Anger, BURTON C. KELLY, of the Counseling Center faculty and professor of educational psychology at Brigham Young University


Der Beitrag wurde aus dem Englischen übersetzt und auf ldsblogs.com veröffentlicht. Der Autor ist Kelly P. Merrill. Übersetzt von Kristina Vogt.

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