Das Titelbild stammt von Church Newsroom.

Vor allem in Utah, wo sich der Hauptsitz der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage befindet, spielt die Religion in Kirche und Politik eine große Rolle. Letztes Jahr forderte die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage die Mitglieder in Utah auf, gegen Proposition 2 (ein staatliches Referendum zur Verwendung von Marihuana für medizinische Zwecke) zu stimmen.

Das ist eigentlich etwas, das ich unterstützt hätte.

Im September erst überarbeitete die Kirche ihre Richtlinien dahingehend, dass das Tragen von Schusswaffen auf kirchlichen Grundstücken verboten ist (sofern es nicht gesetzlich vorgeschrieben ist) – eine Richtlinie, die ich normalerweise ablehne, da meiner Meinung nach das verantwortungsvolle Tragen von Waffen Leben retten kann. Vor einigen Jahren hat sich die Kirche für die Antidiskriminierungsgesetze in den Bereichen Beschäftigung und Wohnen ausgesprochen, eine Politik, die meiner Haltung (als Liberalist) auch eigentlich widerspricht. Wie geht man mit so einem „Widerspruch” von Kirche und Politik um?

An weiteres Beispiel wäre, dass sich die Kirche gegen den Utah Compact (eine Erklärung zur Einwanderungspolitik Utahs) aussprach und vor einer zu strengen Einwanderungspolitik, die Familien trennt und zu Massendeportationen führt, warnte. Ich selbst stimmte dieser Haltung zu, aber einige meiner Freunde und Kollegen taten dies nicht. Die Kirche hat Positionen zur Religionsfreiheit geäußert, die progressivere Mitglieder der Kirche eher ablehnen, und die Position der Kirche zur gleichgeschlechtlichen Ehe ist zunehmend unpopulär geworden.

Wahrscheinlich macht jeder von uns irgendwann einmal die Erfahrung, dass die Führer der Kirche etwas ankündigen, das unseren politischen Überzeugungen widerspricht.

Wenn mir das passiert, gibt es neun Dinge, über die ich mir Gedanken mache.

1 Ich bin dankbar, dass Propheten nicht immer mit mir übereinstimmen

Wenn die Propheten immer mit mir einer Meinung wären, wäre es einfach. Aber das soll es ja gar nicht sein, denn dann gibt es kein geistiges Wachstum. Und ich bin dankbar für die Gelegenheit, durch diesen Widerspruch zwischen meiner Kirche und der Politik Loyalität zu demonstrieren – Gott meine Bereitschaft zu demonstrieren, eigene Vorlieben hintanzustellen  und dem Rat göttlich ernannter Diener zu folgen.

Ich bin zuerst ein Heiliger der Letzten Tage und erst nach Ehemann, Vater und einigem anderen auch Liberalist.

Immer schon wurden die Heiligen von Gottes Dienern gebeten, „Schwieriges“ zu leisten; ich denke, Gott will das so. Es ist nötig, auch Dinge zu tun, die wir nicht von Anfang an bereits tun wollten. Dinge, die unseren natürlichen Neigungen zuwiderlaufen, die zu unseren eigenen Überlegungen und Vorlieben vielleicht im Widerspruch stehen. So lernen wir Demut, unsere eigenen Vorlieben unterzuordnen und von einer Macht und Autorität zu lernen, die höher ist als die unsrige.

Jüngerschaft schließt gute Staatsbürgerschaft ein – daher gehören Kirche und Politik auch in gewisser Weise zusammen

Neal A. Maxwell lehrte:

„Jüngerschaft schließt gute Staatsbürgerschaft ein; und in diesem Zusammenhang werden Sie, wenn Sie die Aussagen der modernen Propheten sorgfältig studieren, bemerkt haben, dass mit seltenen Ausnahmen – insbesondere wenn die Erste Präsidentschaft gesprochen hat – die geäußerten Bedenken sich auf moralische Fragen bezogen und nicht auf Fragen zwischen politischen Parteien . … Aber täuschen Sie sich nicht, Brüder und Schwestern; in den kommenden Monaten und Jahren werden die Ereignisse von jedem Mitglied verlangen, dass es entscheidet, ob es der Ersten Präsidentschaft folgt oder nicht. Für die Mitglieder wird es schwieriger sein, zwischen zwei Positionen zu stehen.”

Präsident Marion G. Romney sagte vor vielen Jahren, er habe

„nie gezögert, dem Rat der Autoritäten der Kirche zu folgen, obwohl er mein soziales, berufliches oder politisches Leben durchkreuzte.” (CR, April 1941, S. 123). „Dies ist eine harte Lehre, aber es ist eine besonders wichtige Lehre in einer schlechter werdenden Gesellschaft. Kurz gesagt, Brüder und Schwestern, sich nicht für das Evangelium Jesu Christi zu schämen, bedeutet auch, sich nicht für die Propheten Jesu Christi zu schämen.” (Neal A. Maxwell, “Meeting the Challenges of Today,” BYU Devotional, Oct. 10, 1978.)

Ich glaube, dass dies wahr ist. Ich bekomme so die Gelegenheit zu zeigen, dass ich mich nicht für sie schäme und wirklich glaube, dass sie Männer Gottes sind – und das nicht nur, weil wir einer Meinung sind.

2 Der Gott, den wir verehren, ist keine politische Ideologie

Ich möchte meine eigenen politischen Ideologien nicht über die Unterweisungen durch Gottes Diener stellen. Wenn wir die Lehren der Diener Gottes anhand unserer ideologischen Weltanschauung beurteilen, riskieren wir, unsere eigenen Ideen über Gottes Ideen zu stellen. Wir räumen abstrakten Ideen von Kirche und Politik Vorrang vor Offenbarung ein.

Dies kann zu etwas führen, das ich Götzendienst nenne. Wir ersetzen den lebendigen Gott durch eine Idee (oder eine Reihe von Ideen). Der Gott Israels ist kein abstrakter, universeller, unveränderlicher Satz von Ideen oder Gesetzen, sondern eine lebendige, dynamische Person, die Anweisungen übermittelt, die auf unsere spezifische Zeit und Situation zugeschnitten sind. Heilige der Letzten Tage können – und müssen – flexibel in Fragen des Glaubens sein, während sie in Fragen der Loyalität gegenüber Gott entschlossen sind.

3 Propheten sind Wächter auf dem Turm

Wir können uns Propheten als Wächter auf einem Turm vorstellen. In einem Artikel im Ensign heißt es:

„Wächter waren Wachtposten, die an einer Mauer oder in einem Turm stationiert waren, um Gefahren aus der Ferne zu erkennen und vor ihnen zu warnen. Sie wurden eingesetzt, um Städte sowie Weinberge, Felder oder Weiden zu schützen. “ (Quelle englisch)

Von ihrem Standpunkt auf dem Turm aus haben sie eine erhöhte Aussicht. Sie sehen Dinge, die wir anderen nicht sehen können. So können sie vor Gefahren warnen, solange die Gefahr noch weit entfernt ist, und wir können uns rechtzeitig vorbereiten.

Wenn wir nur die Warnungen der Propheten beachten, wenn wir die Gefahr sehen, ist der Turm nutzlos: Wir sollen vor Gefahren gewarnt werden, die wir nicht sehen können. Präsident Harold B. Lee lehrte:

„Es wird einige Dinge geben, die Geduld und Glauben erfordern. Sie mögen vielleicht nicht, was von den Führern der Kirche kommt. Dies kann Ihren politischen Ansichten widersprechen. Dies kann Ihren sozialen Ansichten widersprechen. Es kann Einfluss auf Ihr soziales Leben haben. Aber wenn Sie auf diese Dinge hören, wie aus dem Mund des Herrn selbst, mit Geduld und Glauben, ist das Versprechen, dass ,die Pforten der Hölle nicht gegen Sie siegen werden; ja, und der Herr, Gott, wird die Mächte der Finsternis vor dir zerstreuen und die Himmel für dein Wohl und die Herrlichkeit seines Namens zittern lassen.’”

Vielleicht mögen wir nicht, was wir von den Führern in Bezug auf Kirche und Politik hören. Wenn wir aber die Warnungen der „Wächter auf dem Turm“ beachten, können wir vor den Mächten der Dunkelheit geschützt werden, die uns als Gemeinschaft bedrohen. Und genau das bedeutet, dass wir diese Warnungen genauso beachten, wenn wir die Gefahren nicht sehen, wie wenn wir es tun. Die Führer sehen, was wir nicht sehen. Das ist ein Teil dessen, was sie zu Sehern macht.

4 Propheten sind fehlbar, aber das heißt nicht, dass wir ihre Worte missachten sollen

Propheten sind nicht unfehlbar. Präsident Dieter F. Uchtdorf sagte:

„Es gab Zeiten, in denen Mitglieder oder Führer der Kirche einfach Fehler gemacht haben. Möglicherweise wurden Dinge gesagt oder getan, die nicht im Einklang mit unseren Werten, Grundsätzen oder unserer Lehre standen.“ (Dieter F. Uchtdorf, „Come, Join With Us”)

Propheten können jedoch einen göttlichen Auftrag haben und gleichzeitig sterbliche, unvollkommene Menschen sein. König Benjamin bringt dies klar zum Ausdruck:

„denn ich habe euch nicht geboten, hier herauf zu kommen, um mit den Worten, die ich sprechen werde, leichtfertig umzugehen, sondern daß ihr auf mich hört und eure Ohren öffnet, damit ihr hört, und euer Herz, damit ihr versteht, und euren Sinn, damit die Geheimnisse Gottes vor euren Augen entfaltet werden. Ich habe euch nicht geboten, hier herauf zu kommen, damit ihr mich fürchtet oder damit ihr denkt, daß ich aus mir selbst mehr sei als ein sterblicher Mensch. Vielmehr bin ich euch gleich, bin allerart Schwächen an Leib und Sinn unterworfen; doch bin ich von diesem Volk erwählt und von meinem Vater geweiht worden, und die Hand des Herrn hat es zugelassen, daß ich Herrscher und König über dieses Volk sei.” (Mosia 2:9-11)

Hier sagt König Benjamin drei Dinge: (1) Die Menschen sollten ihn nicht fürchten, wie sie Gott fürchten, weil er sterblich und unvollkommen ist. (2) Die Menschen sollen nicht mit seinen Worten leichtfertig umgehen, sondern ihr Herz für das öffnen, was er zu sagen hat. (3) Er hat einen göttlichen Auftrag vom Volk und von Gott, ihr Lehrer zu sein.

Auch für die heutigen Propheten bedeutet das: Wir erkennen ihre sterbliche Fehlbarkeit, aber wir gehen nicht leichtfertig mit ihren Worten um. Das bedeutet, sie ernst zu nehmen, wenn sie uns ermahnen, etwas zu tun, anstatt sie unbekümmert abzulehnen, wenn ihre Anweisungen nicht mit unseren vorgefassten Vorstellungen übereinstimmen.

5 Ich erkenne die inhärente Fehlbarkeit meiner eigenen Vernunft an

Propheten sind fehlbar. Sie können Fehler machen. Sie können Vorurteile haben. Sie können manchmal eigene Vorurteile für Inspiration halten. Aber wir auch. Das Problem ist, dass meine Politik so menschengemacht ist wie jede andere. Die inspirierten Elemente werden mit nicht-inspirierten Elementen gemischt.

Das Gegenmittel gegen Stolz ist Demut: die Anerkennung unserer eigenen Fehlbarkeit, der Grenzen der menschlichen Vernunft, der Möglichkeit, dass andere gesunde Menschen aus denselben „selbstverständlichen“ Prämissen zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen gelangen oder diese sogar als selbstverständlich annehmen. Es bedeutet anzuerkennen, dass Propheten fehlbar sind, so wie wir auch. Und so können wir keinen Zugang zur Wahrheit von etwas beanspruchen, das die Propheten eventuell übersehen haben. Selbst die besten politischen Ideen sollten immer provisorisch aufgegriffen und höheren Autoritäten (wie der des Heiligen Geistes und der Stimme der Propheten Gottes) unterworfen werden, als der Argumentation von uns Menschen .

6 Den Propheten zu folgen ist kein blinder Gehorsam, wenn wir daran denken, dass sie Männer Gottes sind

Der göttliche Auftrag eines Propheten ist anders als die Autorität weltlicher Gelehrter und Experten. Propheten haben im Allgemeinen kein Diplom für ihren göttlichen Dienst, und es gibt keine (sterbliche) Akkreditierungsagentur, die ihre Autorität überprüft. Wir müssen nach persönlicher Offenbarung von Gott streben, um zu wissen, ob sie echte Propheten sind. Wenn wir ständig die Bestätigung des Heiligen Geistes suchen, dass diese Männer wirklich Diener Gottes sind, ist es kein blinder Gehorsam, wenn wir ihren Anweisungen folgen.

Das Streben nach persönlicher Offenbarung von Gott ist eine Art „unabhängige Überprüfung“, die sich stark von den Peer-Review-Prozessen unterscheidet, die unser westliches Denken prägt. Wenn wir uns auf ein solches Gebet einlassen und nach solcher Bestätigung suchen, vergleichen wir weder die Lehren der Propheten mit dem wissenschaftlichen Konsens, noch untersuchen wir ihre Methoden oder versuchen, ihre Überlegungen nachzuvollziehen. Wir stellen stattdessen eine einfache Frage an Gott:

„Sind diese Männer von dir beauftragt? Sind sie wirklich Propheten und Boten?“

Von Brigham Young stammt folgende berühmte Aussage:

„Wie schade wäre es, wenn wir von einem Mann zur völligen Zerstörung geführt würden! Hast du Angst davor? Ich habe mehr Angst, dass diese Menschen so viel Vertrauen in ihre Führer haben, dass sie nicht selbst Gott fragen, ob sie von ihm geführt werden … Lassen Sie jeden Mann und jede Frau durch das Flüstern des Geistes Gottes selbst wissen, ob ihre Führer auf dem Weg sind, den der Herr vorschreibt oder nicht.” (Brigham Young, Journal of Discourses, vol. 9, 150.)

Brigham Young befürchtete nicht, dass Menschen in die Irre geführt werden könnten, wenn sie nicht jede seiner Anweisungen unabhängig überprüften. Aus dem Zusammenhang geht aus seiner ganzen Predigt hervor, dass er die Befürchtungen der Ungläubigen nicht teilt, sondern eher, dass die Menschen die Lehren der Propheten nicht mit der Überzeugung beachten, die durch den Geist Gottes kommt.

7 Inspiration ist nicht immer mit Gründen verbunden.

Die meisten spirituellen Eingebungen kommen ohne Begründung. Vielleicht fühlen wir uns dazu aufgefordert, einen Freund zu besuchen, nicht in ein Flugzeug zu steigen, etwas Zeit im Tempel zu verbringen – und vielleicht erfahren wir nie den Grund dafür. Dasselbe gilt für die Inspiration, die die Führer der Kirche erhalten haben. In der Vergangenheit wurden Gründe für Richtlinien und Praktiken überlegt und angegeben, und diese Gründe haben sich später als falsch herausgestellt. Ohne das Priestertumsverbot (eine Praxis unbekannter Herkunft) an sich zu missbilligen, hat sich die Kirche von den Gründen, die der Praxis typischerweise zugeschrieben wurden, distanziert.

8 Es mag gute Gründe für die Haltung der Kirche geben, die ich noch nicht kenne

Vor einem Jahrzehnt hat die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage Proposition 8 in Kalifornien lautstark befürwortet, wonach die Ehe als eine Ehe zwischen einem Mann und einer Frau definiert wird. Die Kirche drückte nicht nur Vorbehalte gegen gleichgeschlechtliche Ehen aus, sondern forderte die Heiligen der Letzten Tage auf, Zeit und Mühe zu investieren, um die kalifornischen Bürger davon zu überzeugen, diesen Vorschlag zu unterstützen. Zu der Zeit gab es viele schlechte Gründe dafür – viele Argumente, die letztendlich nicht stimmten. Viele in der Kirche sind seitdem zu dem Schluss gekommen, dass es überhaupt keine guten Gründe gab. Ich war fast einer von denen – ich habe mit Positionen über die Ehe geflirtet, die die Kirche nicht teilt (wie die Idee, dass Regierungen überhaupt nicht in die Ehe einbezogen werden sollten).

Aber dann bin ich auf die hervorragenden Schriften der katholischen Denker Sherif Girgis, Ryan T. Anderson und Robert P. George in ihrem Buch „What Is Marriage?“ gestoßen. Sie lieferten sehr aufschlussreiche Gründe, warum die Ehe als Mann-Frau-Institution erhalten bleiben sollte, die von den romantischen Beziehungen gleichgeschlechtlicher Beziehungen getrennt und verschieden ist. Einige dieser Argumente sind unter discussingmarriage.org (englisch) zusammengefasst. Diese Argumente haben mich überzeugt.

Der Punkt hier ist, dass mit Geduld oft starke und völlig rationale Gründe für die politischen Präferenzen der Kirche gefunden werden können. Nur weil in unserem oft wenig informierten politischen Diskurs falsche Argumente vorgebracht werden, heißt das nicht, dass gute Gründe nicht existieren oder niemals ausgesprochen werden. Manchmal müssen wir unsere Echokammern verlassen, um Argumenten ausgesetzt zu werden, die in den sozialen Netzwerken, die wir normalerweise nutzen, nicht verbreitet werden. Manchmal müssen wir nach Antworten suchen und diese studieren. Und manchmal müssen wir einfach warten und so lange die Position und Überschneidung von Kirche und Politik akzeptieren.

9 Wir können nicht sehen, was gewesen wäre

Genau wegen dem, was ich nicht sehe, brauche ich Propheten und Apostel. Präsident Heber J. Grant beispielsweise unterstützte die Prohibition nachdrücklich und ermutigte die Heiligen, gegen deren Aufhebung zu stimmen. Trotzdem taten viele das nicht. Gründe dafür waren: Die Durchsetzung der Gesetze führte zu Gewalt und wurde als Vorwand für die Ausweitung der Polizeibefugnisse verwendet.Trinken war oft ein Verbrechen ohne Opfer; es gab einen blühenden Schwarzmarkt, der gefährlichen Menschen Macht gab und die Verwundbaren zum Opfer machte usw.

Was mir allerdings Anlass zur Besorgnis gibt, sind die Millionen Leben und Familien, die seit Aufhebung des Verbots 1933 durch Alkohol zerstört wurden. Einige schätzen, dass in den USA 88.000 Menschen jedes Jahr durch Alkohol sterben (Quelle englisch). Dabei werden durch Alkohol zerstörte Familien noch gar nicht berücksichtigt – stellen wir uns das einmal über die Jahrzehnte vor. Betroffen sind Millionen Kinder ohne Väter oder Mütter, und Eltern, denen die Kinder genommen wurden. Und dazu kommen Familien, bei denen wegen der Alkoholprobleme zwar keiner stirbt, bei denen es aber deswegen Missbrauch, Scheidung, Vergewaltigung, Untreue usw. gibt. Es ist durchaus möglich, dass dies die Realität ist, die Präsident Grant vorhergesehen hatte, als er die Heiligen aufforderte, sich der Aufhebung des Verbots zu widersetzen.

Wir wissen nicht, wie unsere Gesellschaft aussehen würde

Wir wissen einfach nicht, wie unsere Gesellschaft heute aussehen würde, wenn die Heiligen die Warnung von Präsident Grant befolgt hätten. Wahrscheinlich wären die Schwarzmärkte weiter gediehen und die Durchsetzung dieser Gesetze wäre immer noch voller Probleme.

Sicherlich gäbe es einige dieser alkoholbedingten Todesfälle immer noch, und vielleicht auch noch mehr Todesfälle durch Bandengewalt. Angesichts der Tatsache, dass die Prohibition die Zahl der Betrunkenen und die Zahl der alkoholbedingten Todesfälle allerdings drastisch gesenkt und zu einer Kultur der Mäßigung beigetragen hatte (Quelle englisch), die auch Jahrzehnte nach der Aufhebung anhielt, ist es durchaus plausibel, dass jene Zahlen von unserer heutigen Realität in den Schatten gestellt worden wären.

Selbst wenn wir unsere aktuelle Realität nicht als eine Art dystopieähnliche Version von Ereignissen betrachten, liegt das vor allem daran, wie vertraut sie uns ist. Es kann sein, dass in einer alternativen Realität, in der die Prohibition aufrechterhalten wurde, die Menschen schockiert wären, wenn sie von den alkoholbedingten Todesfällen, Körperverletzungen und Scheidungen erführen, die wir alle als normal betrachten. Wir wissen nicht immer, wann prophetische Warnungen erfüllt sind. Wir denken vielleicht einfach, es ist ein Leben wie immer, weil wir nicht sehen können, was gewesen wäre. Und so kommt es, dass, wenn Seher uns warnen, ich darauf höre; es ist ihre Aufgabe, das zu sehen, was wir nicht sehen können.

Wenn du dich dagegen aussprichst

Ich denke, dass die Heiligen der Letzten Tage den Propheten aus diesen und weiteren Gründen folgen sollten, wenn sich die Kirche politisch äußert, auch wenn wir nicht einer Meinung sind. Es gibt Gefahren, auf die man achten muss. Dazu gehört, mit der Kirchenposition nicht übereinzustimmen und sich dann wegen dieser anderen Meinung öffentlich gegen die Kirche zu stellen oder gegen sie zu werben. 

Außerdem sollten wir aufpassen, dass wir die geistige und moralische Autorität der Kirchenführer als Sprecher Gottes nicht untergraben. Die Gefahr besteht darin, dass wir die Belehrung und Korrektur durch göttliche Diener leichtfertig behandeln und nur befolgen, wenn wir bereits einer Meinung sind. Wenn das Schiff (die Kirche) von seinem Steuerruder (Propheten und Apostel) getrennt wird, reagiert es schlechter auf Kursänderungen. Und wenn dies geschieht, sind wir – als kollektiver Körper – schlechter in der Lage, den Stürmen des Lebens zu entgehen, da unsere Steuermänner kaum in der Lage sind, das Schiff um sie herum zu steuern.

Wenn du der Politik der Kirche nicht zustimmst, solltest du dich besonders darum bemühen, in allen anderen Bereichen deines Lebens sensibler für prophetische Anweisungen zu sein. Denn wenn Propheten uns nie überraschen würden, oder wenn sie uns nur Dinge erzählten, die wir bereits wissen, dann wären sie überflüssig. Welchen Nutzen hätten sie? Wir sollten von Propheten erwarten, dass sie uns Dinge erzählen, die wir nicht erwartet hätten, Dinge, die wir nicht allein durch Vernunft verstehen können.


Dr. Jeffrey Thayne schloss sein Studium an der BYU mit einem Bachelor- und Master-Abschluss in Psychologie ab. Er promovierte in Unterrichtstechnologie und Lernwissenschaften an der Utah State University. Er betreibt den beliebten Blog „Latter-day Saint Philosopher” und widmet sich der Apologetik. Derzeit lebt er mit seiner Frau und seinen zwei Kindern im US-Bundesstaat Washington.

Der Beitrag wurde aus dem Englischen übersetzt und gekürzt. Er wurde ursprünglich am 18.9.19  auf latterdaysaintmag.com unter dem Titel „9 Things I Consider When Prophets Disagree with My Politics” veröffentlicht. Der Autor ist Jeffrey Thayne. Übersetzt von Kristina Vogt.

Wenn Sie mehr über die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage wissen möchten, dann besuchen Sie einfach eine der offiziellen Webseiten der Kirche: kommzuchristus.org und kirche-jesu-christi.org.

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