Einblicke in die Familienproklamation aus der Sicht einer Kinderrechtsaktivistin

Ich erinnere mich noch deutlich an meinen schwierigsten Arbeitstag. Als ich ein junges Kindermädchen war, nahm mich meine Chefin zur Seite, um mich um Rat bezüglich ihrer Ehe zu fragen; es sah so aus, als würde es für die beiden, Vater und Mutter, keinen anderen Weg als Scheidung geben.

Mich als Vorbereitung eine Bombe entschärfen zu lassen, wäre durchaus eine nette Geste gewesen. Entschlossen, die Familie der Tochter nicht zerfallen zu lassen, erzählte ich meinen Arbeitgebern die nächsten Tage von meinen Glaubensvorstellungen über die Ehe. Ich erinnere mich daran, dass meine Chefin (die kein Mitglied der Kirche Jesu Christi ist), mich sogar dabei unterbrach, um sich Notizen zu machen, die sie in einer E-Mail an ihre Mutter schickte. Zwei Wochen machte ich einen Spaziergang mit der Familie, als der Vater mich in einem Geschäft auf die Seite nahm. Mit einem Lächeln im Gesicht und bewegter Stimme umarmte er mich und sagte: „Danke, dass du unsere Ehe gerettet hast.”

Der Rat, den ich der Familie gegeben hatte, war nichts streng Geheimes, von dem nur ich wusste. Wahrscheinlich hängen die Worte, die ich damals sagte, bei euch zu Hause an der Wand, vielleicht in einem schönen Rahmen. Sie stammen aus: „Die Familie. Eine Proklamation an die Welt.” Die Proklamation stellt eine der Grundlagen unseres Glaubens dar, die vorherrschenden gesellschaftlichen Trends trotzt und den wahren Zweck von Ehe und Familie kundtut. Diese stundenlangen Gespräche nach meiner Arbeit als Nanny gaben mir die Hoffnung, dass eine Welt, in der so viele Ehen Probleme haben,  geheilt werden kann, wenn sie sich auf die Wahrheiten, die in der Proklamation zu finden sind, beruft.

Gott benutzt uns als Werkzeuge – wenn wir es zulassen

Zu sehen sind verschiedene Werkzeuge. Unser himmlischer Vater kann und in einer Ehe, nämlich Vater und Mutter als Werzeuge nutzen, wenn wir es denn zulassen.

Wenn ich ehrlich bin, muss ich zugeben, dass mein Vertrauen in die Kirche und darauf, dass ich ein Werkzeug in Gottes Händen sein kann, durchaus ein paar Tiefschläge in meinem Leben erfahren hat. Aber Gott dabei zuzusehen, wie er mich und mein dürftiges Verständnis seines Evangeliums auf eine Weise nutzte, die weit über meine eigenen Fähigkeiten hinaus reichte, schaffte eine Grundlage für mich, auf die ich auch heute täglich zugreife.

Vielleicht hat es den Anschein, als ob ich mich erst um das Baby und dann um die Ehe kümmerte. In Wahrheit lagen mir die Ehe und Vater und Mutter bereits vorher schon am Herzen, weil mir das Kind am Herzen lag. Meine Erfahrungen als Nanny führten aber dazu, dass mir bewusst wurde, dass es bei einer Ehe um viel mehr als um das Liebesleben zweier Erwachsener geht. Es geht um all die großartigen Dinge, die Gott für eine Ehe geplant hat.

Ich suchte nach mehr Möglichkeiten mich einzubringen und meine Leidenschaft für die Ehe praktisch umzusetzen. Auf der ganzen Welt sehen wir, wie eine Kinderrechtsbewegung stattfindet. Angetrieben durch mein Zeugnis von der Proklamation, arbeite ich inzwischen als Aktivistin, die tut, was nie zuvor getan wurde: Ich gebe Kindern eine Stimme in der Debatte um Familienstrukturen.

Emotional hungernde Kinder

Zu sehen ist ein junges Mädchen, die ein riesiges Kuscheltier in der Hand hält und sich etwas wegdreht. Kinder haben auch einen emotionalen Hunger, der ebenso befriedigt werden muss, wie der nach Nahrung.

Ich musste nicht sehr tief in meinen Gedanken nach Weisheiten aus meiner Erziehung auf der Grundlage der Kirche Jesu Christi kramen, um zu meinen Arbeitgebern durchzudringen.

„Kein Erfolg kann das Scheitern zu Hause wieder wettmachen”, lehrte bereits David O. McKay; etwas, das ich für selbstverständlich gehalten hatte. Für meine Chefin ergab es Sinn: „Ich hätte es nicht besser sagen können”, antwortete sie. „Ich habe es am eigenen Leib erfahren.”

Als Scheidungskind hatte die Frau, für die ich arbeitete, eine unglaubliche alleinerziehende Mutter. Und trotzdem fehlte etwas; der Schmerz, den sie fühlte, kam nicht durch den anwesenden, sondern den abwesenden Elternteil. Sie erinnerte sich daran, wie sie jeden Tag Sehnsucht nach beiden Eltern gehabt hatte, in jedem Alter.

Ich bin überzeugt davon, dass Gottes Gesetze bzgl. Ehe und Sexualität nicht nur von Vorteil für die Erwachsenen sind, sondern auch für die Kinder. Studien zeigen – und die Geschichten von Kindern bestätigen es – dass es drei Grundprinzipien geistiger Nahrung gibt, die Kinder brauchen, um zu gedeihen: die Liebe der Mutter, die Liebe des Vaters und Stabilität. Fehlt eines dieser drei Elemente, sind die Kinder evtl. emotional unterernährt. Dass man sich die Liebe von Vater und Mutter wünscht, ist kein soziales Konstrukt. Es ist ein tiefes, ursprüngliches Bedürfnis der Seele.

Als Erwachsener hat man ein Versammlungsrecht, ein Recht auf Privatsphäre, ein Recht auf einen fairen Prozess – alles Dinge, die als grundlegende Menschenrechte anerkannt sind. Haben Kinder, wo das möglich ist, ein „Recht auf Vater und Mutter”? Schenkt man dem Übereinkommen der Vereinten Nationen zu Kinderrechten Glauben oder fragt man ein beliebiges Kind nach seinen tiefsten Wünschen, so lautet die Antwort „Ja!”. Dieses Recht steht im Zusammenhang mit „Leben, Freiheit und dem Streben nach Glück”. Tatsächlich hängt die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind Letzteres findet und behält, oft davon ab, ob wir Ersteres sichern können oder nicht.

Für Kinderrechte einzutreten, wird die Welt verändern

Es ist schwer, all die erstaunlichen Veränderungen zu ignorieren, die in den letzten 60 Jahren im Bereich der Bürgerrechte stattgefunden haben, aber es gibt eine Gruppe Menschen, deren Rechte massiv zurückgegangen sind: die Kinder. Präsident Gordon B. Hinckley zitierte Statistiken über das zerrüttete Zuhause und sagte:

„Meines Erachtens ist die größte Herausforderung für diese Nation das Problem der Familie, das von fehlgeleiteten Eltern verursacht wird und zu fehlgeleiteten Kindern führt… Eine Nation wird nicht höher aufsteigen, als die Stärke ihrer Familien es zulässt.“

Präsident Hinckley hatte Recht.

Betrachten wir irgendein soziales Problem, sehen wir, dass Kinder aus zerbrochenen Familien in jeder einzelnen Risikokategorie überrepräsentiert sind. Von Drogenmissbrauch über Selbstmord, von Inhaftierung bis hin zu Obdachlosigkeit tragen Kinder, die emotional nach Liebe und nach einer Beziehung zu Vater und Mutter hungern, zu unseren dringendsten sozialen Problemen bei.

Hier ist eine Statistik mit Zahlen zu Kindern aus vaterlosen Familien zu sehen.

Wir stecken Milliarden Dollar in soziale Programme, die versuchen, die klaffende Wunde, die durch den Zerfall der Familie entstanden ist, zu schließen, und unsere Kinder haben noch immer keinen Halt gefunden. Warum? Weil die Regierung einem Kind keine Liebe geben kann.

Die Kirchengemeinschaft als Ersatz für Vater und Mutter?

Die Heiligen der Letzten Tage plädieren zu Recht für eine intakte Familienstruktur, auch wenn sie anerkennen, dass das Ideal aus verschiedenen Gründen nicht immer verfügbar ist. Wenn Kinder mit diesen tiefen Verlusten konfrontiert werden, müssen wir uns als Jünger Christi zusammenschließen, Mitgefühl zeigen und helfen, das Leben mitzugestalten. Wir brauchen mehr heldenhafte Adoptiveltern, Stiefeltern, Großeltern und Mentoren, die bereit sind, die Lücke zu füllen und zerbrochene Bindungen zu heilen; dabei sollten sie gleichzeitig die Situation verurteilen, die dazu geführt hat, dass ein Kind die Beziehung zu seinen leiblichen Eltern verloren hat.

Wegen kultureller Normen tendiert die Gesellschaft jedoch zunehmend dazu, suboptimale Familienstrukturen für Kinder zu fördern – einfach weil es das ist, was Erwachsene wollen, und nicht weil, wie es in der Proklamation heißt, „Behinderung, Tod oder andere Umstände eine individuelle Anpassung erforderlich gemacht haben.“ Es gibt einen großen Unterschied zwischen dem Reparieren einer zerbrochenen Bindung und dem absichtlichen Zerstören einer Bindung. Als ich mir die Statistiken anschaute, konnte ich nicht länger darüber hinwegsehen, wie Erwachsene Kinder mit einer unzumutbaren Bürde belasten.

Kinderrechte vor Erwachsenen-Wünsche stellen

Kinderrechte in den Vordergrund zu stellen bedeutet nicht, nach der Pfeife eines winzigen Tyrannen zu tanzen. Es geht nicht darum, Kindern alles auf ihrer Weihnachtswunschliste zu kaufen oder Eltern nicht mehr als Vermittler zwischen Kindern und Staat zu haben. Es bedeutet, wie es in der Proklamation heißt, dass Kinder ein Recht darauf haben, im Rahmen einer Ehe geboren und von Vater und Mutter erzogen zu werden, die ihre Ehegelübde mit völliger Treue einhalten. Ich habe erkannt, dass ich durch mutigen Einsatz für die Rechte der Kinder mehr tun kann als nur meine Unterstützung für Gottes Plan für die Familie mit einer elegant eingerahmten Proklamation an den Wänden meines Hauses zu zeigen. Stattdessen kann ich das ganze Haus ihm weihen und seinen Willen in jedem Aspekt meines Lebens widerspiegeln.

Für die Rechte der Kinder in meinem eigenen Leben einzutreten bedeutet, meine Verantwortung gegenüber meinen Kindern bewusst wahrzunehmen. Ich habe begonnen anzuerkennen, dass meine Kinder mehr Rechte haben, als ich ihnen zuvor zugebilligt hatte. Ob das nun bedeutet, dass ich weniger telefoniere und öfter mit ihnen in den Bergen wandere oder meine Kinder alleine in die Kirche mitnehme, wenn mein Mann kein Interesse mehr daran hat mitzukommen. Ich musste mich mit meinem Egoismus auseinandersetzen und entscheiden, wessen Interessen oben stehen sollten. Ich mache öfter etwas falsch als richtig, aber ich habe entschieden, dass mein Drei- und mein Vierjähriger Anspruch auf eine Mutter haben, die Schwieriges leistet. (Der Altersabstand war Gottes Idee, nicht meine.)

Kinder sind darauf angewiesen, dass wir als Vater und Mutter Opfer bringen

Mir die Zeit zu nehmen, die Grundrechte von Kindern zu verstehen, hat mein Leben entscheidend verändert. Kannst du dir vorstellen, wie die Welt aussähe, wenn wir alle diese Prinzipien anwenden würden?

Zu sehen ist eine weitere Statistik zu Kindern aus verrütteten Familienverhältnissen.

Wie hoch müssen die Statistiken sein, bevor wir darauf bestehen, dass wir Erwachsenen die Opfer bringen und nicht unsere Kinder?

Artikel 7 der UN-Konvention über Kinderrechte lautet:

„[Kinder haben] nach Möglichkeit das Recht, ihre Eltern zu kennen und von ihnen betreut zu werden.“

Obwohl klar ist, dass Kinder Rechte haben, zeigt der Anstieg von unverschuldeten Scheidungen, Reproduktion durch Dritte, auf Erwachsene ausgerichtete Adoptionen, Verlassen und Zusammenleben, dass zu viele Erwachsene keine Probleme haben, diese Rechte zu ignorieren. Erwachsene – männlich oder weiblich, schwul oder heterosexuell, alleinstehend oder verheiratet – sollten einem Kind nicht etwas wegnehmen, das ihm zusteht, nur weil es nicht den erwachsenen Wünschen entspricht.

Zu sozialer Gerechtigkeit gehört auch Gerechtigkeit für Kinder

Manche Menschen glauben, dass die Proklamation überarbeitet werden müsste und die Bedürfnisse und Sehnsüchte der Kinder außen vor gelassen werden sollten. Als Kinderrechtsaktivistin kann ich nur sagen, dass sie nicht angepasst, sondern gestärkt werden muss. Es wird keine soziale Gerechtigkeit geben, bevor wir nicht die Rechte der Kinder respektieren. Einen Elternteil zu verlieren ist schmerzhaft und die Auswirkungen hallen lange nach. Ich glaube, dass das Ignorieren der Proklamation bedeutet, dass wir die Karten gegen unsere Kinder legen und zu einigen der größten sozialen Missstände von heute beitragen. Ihr Folge zu leisten und die Rechte der Kinder zu verteidigen, wird andererseits dazu beitragen, dass unsere Kinder auf eine Weise gedeihen, die durch nichts anderes ermöglicht werden kann.

Das Eintreten für die Rechte der Kinder hat mich und mein gesamtes Weltbild verändert. Ich weiß, dass ich zu viel Zeit meines Lebens damit verbracht habe, eine leere Tasse in der Hand zu halten, in der Hoffnung, dass anderes – von meinen Freunden bis hin zu Twitter – sie füllen würde. Ich musste das Gefühl loswerden, dass meine Kinder und meine Religion etwas Wichtigerem im Weg stünden, anstatt das Wichtigste zu sein. Aber Gott muss einen Sinn für Humor haben, weil ich nicht beabsichtigte, eine Rolle in der Kinderrechtsbewegung zu spielen; ich wurde dazu erwählt und mir wurde dadurch etwas zuteil, von dem ich nicht wusste, dass es mir gefehlt hatte.


Carah Burrell engagiert sich freiwillig als Advocacy Director für Them Before Us, die einzige Organisation, die sich ausschließlich der Verteidigung der Rechte von Kindern in der Familie widmet. Sie traf ihren Mann auf der Bühne in einem Comedy-Club (weshalb ihr Vater sagt, ihre Ehe sei ein Witz). Sie bereiste das Land mit ihrem lustigen Ehemann, bevor sie sich in Cottonwood Heights, Utah, niederließ, um zwei Töchter (Lake und Gwen) aufzuziehen. Carah kann unter [email protected] (auf Englisch) erreicht werden.

Der Beitrag wurde aus dem Englischen übersetzt und teilweise gekürzt. Er wurde ursprünglich am 8.8.2019  auf latterdaysaintmag.com unter dem Titel „Insights on the Proclamation from a Children’s Rights Activist” veröffentlicht. Die Autorin ist Carah Burrell. Übersetzt von Kristina Vogt.

Wenn Sie mehr über die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage wissen möchten, dann besuchen Sie einfach eine der offiziellen Webseiten der Kirche: kommzuchristus.org und kirche-jesu-christi.org.

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